493 ziffermäßige Belege, immer mehr als volkswirthschaftliche und handels- politische Hauptstadt des ganzen Deutschen Reiches. Der Bericht greitt auch weit über Berlin hinaus, und gibt über den iiberseeischen Verkehr des Deutschen Reiches zahlreiche Aufschlüsse. Diesmal beschränken wir uns, den Bericht über künstlerisch ausgeführte Möbel und Zimmereinrichtungen zu reproduciren, welcher den Aeltesten der Kaufmannschaft von derselben sachkundigen Seite zugekommen ist, welche sich im verflossenen Jahre abrnahnend gegen eine Abirrung ausspricht. Da in Wien, wie in der ganzen österreichischen Monarchie, die Ausstellungen von Zimmereinrichtungen im Schwunge sind, so dürfte dieser Bericht ein' erhöhtes Interesse haben. Es heisst S. 153 und 1541 Auf dem Gebiet der Wohnungseinrichtung und derjenigen kunstgewerblichen Er- zeugnisse, welche zur Decoration dienen, geht insofern eine Veränderung vor. als sich sehr erkennbar eine Neigung zeigt, in den Formen nicht mehr wie bisher fast aus- schließlich der Renaissance des 16. Jahrhunderts zu folgen. l Die bis jetzt ziemlich consequent festgehaltene Beschränkung auf die Vorbilder dieser Epoche, welche für die Entwickelung des deutschen Kunstgewerbes der Ausgangs- punkt gewesen ist, von welchem aus seit einem Decennium ein vorher ungeahnter Auf- schwung erfolgte, liess doch insofern einer Bewegung freien Raum, als man nicht überall streng im Geist einer bestimmten nationalen Spielart der Renaissance componirte, son- dern eine Vermischung der verschiedenen Formen-Elemente derart vornahm, dass man in der Gesammtnnordnung der Einrichtungen sowohl wie in der Gestaltung der einzel- nen Gebrauchsgegenstände der uns nächstliegenden und unseren Bedürfnissen entspre- chenden deutschen Renaissance folgte, im Detail dagegen vielfach von den graziüsen italienischen und französischen Mustern sich leiten ließ. Namentlich gilt dies in Bezug auf die Werke des Berliner Kunstgewerbes, während in München eine nahere Anleh- nung auch im Detail an die alten Werke deutscher Renaissance stattfand. Diese bewusste Anlehnung nach einer oder der anderen Richtung hat zu Wege gebracht, dass eine tüchtige Technik in Behandlung des Materials und der Kunstformen sich entwickelte und damit ein wie es schien ganz verlorenes Gebiet zurückerobert wurde. Man kann auch mit Recht behaupten, dass die Renaissance des sechzehnten Jahr- hunderts unserem Bedürfniss durchaus entgegenkommt. Wie diese Kunst damals alle Schichten des Volkes durchdrang und jedem Gehrauchsgegensrand einen künstlerischen Ausdruck verlieh, so ist sie auch jetzt geeignet, den verschiedensten Lebensformen, den Reichen sowohl wie den Minderbegüterten gerecht zu werden. Hieraus kann aber nicht gefolgert werden, dass diese Formen alleiniges Gesetz bleiben müssen, wie sie denn auch durch Aufnahme von Elementen der orientalischen Kunst eine bedeutsame Erweiterung schon erfahren haben. In der That liegen bereits vielfache Bestrebungen vor, mit Hilfe der gewonnenen großen Schulung der erfindenden und ausführenden Krafte nunmehr weiter zu gehen und auch der Gebiete des Barock, des Rococo sich zu versichern. Für Berlin sind Schlütefs ebenso graziose als maßvolle Barockdecorationen im lnnern des königlichen Schlosses, das Rococo der Schlosser in Potsdam und Charlottenburg ebenso mustergiltige als historisch berechtigte Vorbilder. ln dem Umstand aber, dass das Wesen dieser Kunstrichtungen auf dem Reich- thum der Formen, der Verwendung echter und kostbarer Materialien bei höchster tech- nischer und künstlerischer Vollendung beruht und eine Reduction in dieser Beziehung nicht erfahren kann, ohne gleich ins Magere und Dürftige zu verfallen, liegt auch die Grenze für ihre Verwendung. Eine bewusste Aufnahme des Barock und des Rococo bei reichen Einrich- tungen unter Zuziehung der besten Künstler und Aufwendung großer Mittel, ihre An- wendung in einzelnen Zweigen der Kunstindustrie, deren Material wie das Porzellan, die Edelmetalle den leichten bewegten Formen entgegenkommt, ist als eine Bereicherung der künstlerischen Ausdrucksmittel mit Sympathie zu begrüßen. Nicht aber kann man wünschen, dass diese Stylrichtungen im Allgemeinen für unsere Wohnungseinrichtungen auch nur vorübergehend zur Herrschaft gelangen. Darauf gerichtete glücklicherweise nur noch vereinzelte Bestrebungen, durch Zusammenstellung billiger und aus Surrogaten erzeugter lMobel und Einrichtungsstücke, durch Architekur- theile aus Stuck und Papiermache ein scheinbares Rococo dem Publikum zu impu- tiren, sind als verwerßich und dem kaum erblühten Kunstgewerbe schädlich zu bezeich- nen. Vielmehr dürfte es sich empfehlen für einfache Verhältnisse und Bedürfnisse sowohl