50 Mit diesen Anstalten waren kunstgewerbliche Centren geschaffen, die ihre Thätigkeit im Kreise ausstrahlten. Aber naturgemäß, je weiter die Entfernung, je geringer musste die Wirkung sein. Man fand' ver- schiedentlich das Bedürfniss localer Thätigkeit angepasst den localen Ver- hältnissen. Denn wie in der Hauptstadt sich alle Zweige der Industrie beisammen fanden, so standen sie draußen vereinzelt, hier die Weberei, dort die Porzellan-Fabrication, an einem dritten Orte die Glasfabrication und so ferner. So kam man dazu, für diese localen Verhältnisse und inmitten derselben die speciellen kunstgewerblichen Fachschulen zu gründen. Man hätte die Dinge nicht logischer erdenken können, als sie in Wirklichkeit gingen. Dass man dabei mit Fachschulen oder Lehrwerk- stätten ein wenig experimentirte, war bei der Neuheit begreiflich, ja wohl gar nothwendig. Aber all' das, was bis dahin auf diesem Wege geschehen, war doch nur Lehre, nur Schule und Schulung. Wie stand es aber mit der eigent- lichen Praxis? Wie verhielt sich das Gewerbe selber dazu? Wenn dieser große Schritt, dieser Uebergang in die Praxis nicht geschehen, so wäre ja alle Liebesmühe umsonst gewesen. Anfangs misstrauisch gegen das Neue, widerwillig sogar, wurde die Industrie doch nach und nach der Reform gewonnen. Einzelne leitende Industrielle gingen selbst mit großer Passion darauf ein, und da mittler- weile durch die Schulen junge Kräfte im neuen Geiste ausgebildet waren, so fehlte es ihnen auch nicht an den erlindenden Köpfen und den aus- führenden Händen. Es entstand daher im Laufe der Jahre der guten Arbeit so Vieles und so Bedeutendes, dass die Kunstindustrie, wie wir ja alle erlebt haben, auf allen Ausstellungen ohne Frage das vorragendste Interesse für sich in Anspruch genommen hat, ja zahlreich wurden Aus- stellungen, große wie kleine, nur um ihretwillen veranstaltet. So war auch die Lehre in die Arbeit übergegangen und der prak- tische Erfolg, wenn auch nicht der materielle, gesichert. Diese Zweifel- haftigkeit des materiellen Erfolges hat in der jüngsten Zeit einen weiteren Schritt in der Entwicklung herbeigeführt, nämlich eine Vereinigung der Kunstindustriellen selber zur größeren Verbreitung und finanziellen Aus- nützung desjenigen, was auf Grundlage der modernen Geschmacksreform gelernt und gearbeitet worden. Es sind, zumal in Deutschland, an ver- schiedenen Orten Vereine entstanden, nicht, wie wohl schon bisher, zur Unterhaltung einer Schule, sondern zur Unterstützung des Absatzes mit- telst einer permanenten Ausstellung, so in Berlin, Hamburg, Dresden, München, Düsseldorf, Frankfurt und an anderen Orten, zum Theile in Verbindung mit den vorhandenen Museen oder Schulen, zum Theile ganz frei und selbständig. Dabei ist eine Wahrnehmung sehr bemerkenswerth. Vor wenigen Jahrzehnten noch, wer wusste etwas von Kunstgewerbe oderKunstindustrie? Nicht einmal die Namen existirten. Man hatte das Gewerbe und seine