Papyrus Erzherzog Rainer. III. In unserem letzten Berichte über den Fortgang der Papyrus-Arbeiten im k. k. Oesterr. Museum und deren wichtigste Ergebnisse waren zehn in dieser Urkundensammlung vertretene Sprachen constatirt worden. Nun- mehr ist eine über 200 Stücke (darunter 180 Pergamente) enthaltende elfte Gruppe hinzuzufügen, deren Documenta, soweit nach den cursivischen Zügen zu urtheilen ist, derselben Sprach- und Schriftgruppe wie die bisher noch unentzilferten meroitisch-äthiopischen Steininschriften angehören. Die Zahl der hebräischen Papyrus, welche die bis jetzt ältesten in der Quadratschrift geschriebenen Documente repräsentiren, ist auf 24 gestiegen. Unter den neuerdings gefundenen Resten griechischer Schriftsteller erregen besonderes Interesse die in schönster alexandrinischer Kalligraphie geschriebenen Stücke von Ilias-Rollen, in denen sich größere Theile des II. und Bruchstücke aus dem I., IV., VIII. und XVII. Gesauge - im Ganzen 18x Verse _ vorfinden. Ferner fanden sich zwei zusammengehörige Fragmente eines nicht erhaltenen Epos, aus denen noch so viel zu ersehen ist, dass es sich um die Sage von Phineus handelt; dann eine Uebersicht der I-Iimmelsdecane, eine genea- logische Abhandlung und von der in unserem letzten Berichte erwähnten ästhetischen Abhandlung neue Stücke, sowie ein drittes zu den früheren gehöriges Thukydides-Fragment. Unter den theologischen Texten sind hervorzuheben das Fragment einer Papyrus-Rolle, welche das Evan- gelium Matthäi enthielt und wohl in das dritte Jahrhundert zu setzen ist, und ein Act, welcher eine Christenverfolgung betrifft. Endlich sind neue Urkunden aus der Zeit des Marc Aurel, Hadrian und Trajan hinzu- gekommen. Das bisher älteste datirte griechische Stück des Faiiümer Fundes liegt in der erzherzoglichen Sammlung in einer wohlerhaltenen Urkunde aus der Regierungszeit Domitian's vom Jahre 94. n. Chr. vor. Alles überragend ist unter den arabischen Papyrus der Fund eines officiellen Stückes von I9 Centimeter im Geviert aus dem dreißig- sten Jahre der I-lidschra, d. i. 650 n. Chr. Dasselbe wurde demnach unter dem Khalifate Osman's achtzehn Jahre nach dem Tode des Pro- pheten Muhammed und neun Jahre nach der Eroberung Aegyptens durch die Araber geschrieben. Diese merkwürdige Reliquie lässt alle Erwar- tungen, welche man bezüglich der Erhaltung arabischer Schriftstücke aus der Stiftungsepoche des Islam hegen mochte, weit hinter sich und beweist mit ihren unbeholfenen Zügen, was von Professor Karabacek schon vor zehn Jahren in "einem seiner Werke ausgesprochen wurde, dass der im Schatze des Sultans zu Constantinopel als Heiligthum ver- ehrte angebliche Brief Muhamrnecfs an den christlichen Statthalter von Aegypten, die von einem Koran-Kalligraphen für die Kopten besorgte iüngere Abschrift seines traditionellen Textes ist. Angesichts dieses 14'