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anderer Ausweg gar nicht über, als vorläufig die Sache dem Ermessen
der Einzelnen anheim zu stellen.
Gerade diese Unklarheit fordert aber dazu auf, die Besprechung
dieser Fragen in Fluss zu bringen.
Es ist aber schon vorher bemerkt worden, dass die Composition
ganzer großer Objecte, wie an den Meisterschulen der Akademien, nicht
hieher gehört.
Auch das Componiren mit dem Oelpapier ist nichtsweniger als nach-
ahmenswerth.
Noch gibt es eine andere weitverbreitete Art des Entwerfens, nämlich
die mit dem Gummi elasticum. Bei dieser Methode sitzt der Entwerfende
zwar vor dem leeren Papier und versucht seine eigenen Gedanken zu
entwickeln, aber es geschieht dies nicht systematisch, sondern nachdem
irgend etwas gezeichnet, wird es betrachtet, und was daran nicht passt,
mit dem Gummi ausgewischt. An diese Stelle kommt etwas anderes, was
vielleicht wieder nicht passt oder an einer anderen Stelle der Compo-
sition Uebelstände erzeugt, weshalb nun wieder radirt werden muss und
so geht es fort, bis endlich doch etwas Leidliches daraus wird oder bis
Zeitmangel oder Ermüdung den Zeichner bestimmen, mit einer minder
guten Lösung seiner Idee sich zufrieden zu geben.
Dieses Verfahren hat eine Menge Nachtheile.
Zuweilen gelingt es zufällig, gleich beim ersten Wurf das Richtige
zu treffen; sehr häufig aber führt es zu endloser Mühe. Nachdem eine
Reihe von Varianten durchprobirt ist, treten immer wieder dieselben Com-
binationen auf, aus deren Kreislauf kein Entrinnen sichtbar wird, kein
Ausweg offen zu stehen scheint. Eine Erscheinung, die gewiss Jeder, der
schon Unterricht im Entwerfen gegeben, beobachtet hat. Es ist dies ganz
begreiflich, denn es überschreitet die Zahl der Combinationen endlich
das, was aus der bloßen Erinnerung her überblickt und gleichzeitig
überlegt werden kann. Diese Methode sollte daher nicht von einer Gene-
ration auf die andere verpflanzt, sondern im Gegentheil schon in der
Schule mit allen verfügbaren Mitteln bekämpft werden.
Eine bessere, aber doch noch weitaus nicht mustergiltige Abart davon
ist es, wenn einer ganzen Classe schriftlich ein Compositionsthema als
Hausarbeit auf Termin gegeben wird.
Zunächst begeben sich da die jungen Zukunftskünstler in die Biblio-
thek, wo sie sich das Componiren mit dem Pauspapier angewöhnen.
Werden dann die Fehler der fertigen Arbeiten auch noch so treffend
durchgesprochen, so betrifft dies doch immer nur einen speciellen Fall
und man steht nun vor dem Componiren mit dem Radirgummi.
Noch eine andere Art des Entwerfens sei genannt: das Improvisiren.
Auf diesem Wege sind die Werke der Kunstindustrie und selbst der großen
Kunst in den ältesten Zeiten entstanden, als noch Alles ä la prima ge-
macht wurde. So entstanden die leichtlehigen, reizenden Decore der pom-