4.11. Da gerade der Gewerbsmann und der Künstler am häufigsten in die Lage kommen, Copien aus kostspieligen Werken nehmen zu müssen, so wäre die Errichtung eines Aufnahme-Ateliers, verbunden mit einem Lehr- und Versuchs-Atelier, an Gewerbe- und Kunstgewerbeschulen {in Wien anzustreben. Die Photographie sollte als Hilfswissenschaft und ergänzende Fer- tigkeit für Kunst- und Gewerbeschulen nicht unterschätzt werden. Sehen wir z. B. die Berücksichtigung an, welche die Photographie in anderen Ländern erfährt. In Berlin besteht seit 20 Jahren ein Lehrstuhl für photo- graphische Chemie, verbunden mit einem Versuchs- und Unterrichts-Atelier an der Gewerbe-Akademie, die jetzt mit der Bau-Akademie vereinigt die neue technische Hochschule bildet. Es steht unter der Leitung des hochverdienten Prof. Dr. H. W. Vogel, umfasst 14 Arbeitsräume und ist mit elektrischem Licht ausgerüstet, damit die Arbeiten vom Wetter unabhängig vor sich gehen können. Damit ist eine permanente Ausstellung von wichtigen photographischen Producten und der Anwendung der Photographie in Kunst, Wissenschaft und Leben verbunden. Daselbst wird die wissenschaftliche Seite der Photographie und die Ausbildung von Schülern gepliegt. In Paris findet die Photographie an der höchsten Ingenieurschule des Reiches Berücksichtigung, und gewiegte, theoretisch und praktisch gebildete Männer, wie Vidal und Davanne, halten Vorträge und demonstriren neue Methoden der Photographie und es wurde sogar in Frankreich und England ein Prüfungswesen für Photographen organisirt. In Wien erlosch das Interesse ofücieller Kreise für die Photographie an sich mit dem Universitätsprofessor Ettingshausen, welcher am physikalischen lnstitute noch photographische Uebungscurse halten ließ. An der technischen Hochschule in Wien hat Prof. Winkler die Photo- graphie befürwortet, es gelang aber weder ihm noch Anderen, daselbst etwas Dauerndes zu erreichen. Thatsächlich kann in Wien weder ein Künstler, noch ein Gelehrter oder Techniker die für ihn nüthigen photographischen Kenntnisse erlernen, außer man appellirt an die Gefälligkeit eines Geschäftsphotographen und auch in diesem Falle sind oft Geld und gute Worte umsonst, da ein Lehrling in den Ateliers ersten Ranges wegen Geschäftsstörung nicht selten überhaupt nicht geduldet wird; andererseits verfolgt ja auch der Geschäfts- oder Porträtphotograph ganz andere Richtungen, als wir hier im Auge haben. Es ist in Wien, wie erwähnt, nahezu unmöglich, für künst- lerische und gewerblich-technische Zwecke die Photographie zu erlernen, wenn auch Privatpersonen nach Kräften bemüht sind, demjenigen das Lernen zu ermöglichen, welcher dies im eigcnenlnteresse und zum Nutzen von Kunstgewerbe undWissenschaft Oesterreichs anstrebt.