das ganze Mittelalter hindurch begegnen uns kühn componirte Buchstaben, deren Erfinder häufig mehr au den Schmuck, als an die Lesbarkeit des Geschriebenen gedacht haben müssen. Und diese Richtung scheint unaus- rottbar zu sein wie Unkraut oder wie jener Hauskobold, der sich durch keinerlei Beschwörungen bannen lassen wollte und. als man endlich das ganze Gebäude verbrannte, unter dem geborgenen Hausrath wohlbehalten vorgefunden wurde. Spukt er doch auch heutzutage wieder. (Schluss folgr.) Papyrus Erzherzog Rainer. Ein. Ereigniss, dessen Kunde kaum aus dem engen Raume des Studir- zimmers irn k. k. Oesterr. Museum, wo die Entzitferung der Papyri unausgesetzt fortschreitet, in die Oelfentlichkeit gedrungen, hat nicht allein die gelehrte Welt mit Ueberrascbung und höchster Spannung erfüllt, sondern insbesondere auch die theologischen Kreise sofort ergriffen: Die Auffindung eines kleinen Bruchstückes eines uralten, nicht canonischen Evangeliums, welches von Matthäus (a6, 30-34) und Marcus (14, 26-30) viel weiter absteht, als diese beiden von einan- der, aber mit Marcus mehr verwandt ist! Der Text dieses Papyrus- Evangeliums, welcher nach den Buchstabenformen sicher dem dritten, der Abfassung nach aber dem ersten Jahrhundert n. Chr. angehört, hat einen ganz anderen Uebergang von dem Abendmahle zu der Ankündi- gung der Verleugnung, als den den beiden genannten Evangelisten gemeinsamen, kündigt das Citat und die Versicherung des h. Petrus in abweichender Weise an, kürzt letztere stark ab, lässt den Vers; wAber nach einer Auferweckung werde ich euch vorausziehen nach Galiläau aus und construirt die Verleugnungsweißagung anders, als die beiden Evangelisten. Die Sprache ist energisch, gedrungen, die Aus- drucksweise anschaulich, mit drastischen Wendungen. Dieser schrift- stellerische Charakter, welcher überdies die Mittheilungen von Thatsachen nur als einen verbindenden Faden erscheinen lässt, an welchen sich die Reden Christi, auf die es hier zunächst ankommt, aneinanderreihen, sowie das gänzliche Fehlen jenes Verses verbiirgen. wie G. Bickell in Innsbruck scharfsinnig schließt, das höherebAlter des Papyrus-Evangeliums. ist dann aber auch der Schluss berechtigt, dass in Folge der Auffindung dieses Bruchstückes aus vier canonischen Evan- gelien - drei werden? Zweifellos ist es, dass mit demselben die Evan- gelienkritik in eine neue Bahn gelenkt wird. Denn man wird nicht weiter anstehen dürfen - so lässt sich schon ein zweiter gelehrter Theologe, Professor Dr. H arnak in Gießen ("Theologische Literatur- zeitungß vom 13. Juni) vernehmen - vin dem Wiener Papyrus von Faijum die erste handschriftliche Bestätigung dafür zu erkennen, dass unser Matthäus und Marcus keine Originalwerke gewesen sind - auch il-