zu jenem Zwecke. Nur so viel ist unbestritten, dass im XIV. Jahrhundert bereits zahlreiche Heiligenbilder von geschnittenen Holzplatten verviel- fältigt worden sind. Zur Vertheilung an das gläubige Volk bestimmt, sind dergleichen Einzelblätter nur durch glückliche Zufälle der Nachwelt erhalten worden, indem sie von den Besitzern auf die Innenseite eines Gebetbuchdeckels, auf die Thür oder die Rückwand eines Schrankes oder sonst einen Ort geklebt worden waren, wo sie unversehrt blieben, um nach Jahrhunderten von Forschern oder Antiquitätenhändlern entdeckt zu werden. Kunststyl und technische Besonderheiten ermöglichen meistens eine ungefähre Datirung: Ob das Nackte mit geringerem oder größerem Ver- ständnisse behandelt, die Gewandfalten geschwungen oder gebrochen erscheinen, ob die Umrisse in breiten, ungleichmäßigen oder feineren, bewegteren Linien ausgeführt sind, ob Schattenstriche noch gänzlich fehlen oder in einfachen oder schon in Kreuzlagen angebracht sind, ob die Druckfarbe sich mehr oder weniger dickflüssig und fett zeigt, endlich ob der Holzschneider es noch nicht für nöthig gehalten hat, alles Detail auszuführen, weil er sich darauf verlassen konnte, dass der llluminist oder Briefmaler, der gewiss sehr häufig er selbst war, das im Schnitte Fehlende mit Farben nachtragen werde - das sind einzelne von den Unterscheidungsmerkmalen, so wie die Glätte des Papieres auf der Rück- seite und der tiefe Eindruck der Umrisse verrathen, dass ein Abdruck noch nicht vermittelst der Presse, sondern durch Bearbeitung des Papieres mit dem Reiber gewonnen worden ist. Selten befindet sich Schrift auf früheren Blättern; die geschilderten Vorgänge: Verkündigung, Geburt," Kreuzigung des Heilandes, Krönung der Jungfrau etc., bedurften keiner Erklärung, die einzelnen Heiligengestalten waren an ihren Attributen kenntlich; ja den meisten Leuten würde in damaliger Zeit die Schrift viel weniger verständlich gewesen sein als das Bild, und das Buchstaben- schneiden war überdies eine mühselige Arbeit. Aus dem einen und dem anderen Grunde ging man auch noch im XV. Jahrhundert mit den Text- zuthaten sparsam um, auch die aus Folgen vor? Tafeldruckbildern zusammengesetzten Blockbücher waren ja noch für ungelehrte Leute bestimmt. Wir erinnern uns dabei naturgemäß der Bilderbücher für das frühe Kindesalter, welche mit ebensoviel Text versehen sind , als etwa für die Kinderfrau genügt, um die Wissbegier der Kleinen zu befrie- digen. Aber wir können auch an jene merkwürdigen Exultet-Rollen des Mittelalters in Italien denken, welche in den Oster-Vigilien dem Geist- lichen Text und Noten des Hymnus: Exultet turba_ angelorum (Es freue sich der Engel Schaar), der Gemeinde aber den Sinn des Textes in Abbildungen vor Augen brachte. Das wurde ermöglicht durch An- bringung des Bildes über der betreffenden Strophe des Hymnus, aber in verkehrter Richtung, so dass, während der Geistliche eine Strophe vor sich hatte und absang, das dazu gehörende Bild von dem Pult herabhing.