117 industrie fast ausschließlich weiblichen Händen ihre Entstehung ver- danken, die Arbeiten der Stickereigeschäfte und der Stickerinnen von Beruf ausdrücklich in's Programm der Ausstellung aufgenommen. Es ist hier nicht unsere Aufgabe, eine Geschichte der modernen Reform der weiblichen Handarbeiten zu schreiben. Sollen wir aber dem ersten Programmpunkt der Ausstellung, den Abstand zwischen 1873 und 1886 zu zeigen, gerecht werden, dann dürfen wir uns wenigstens einige allgemeine historische Bemerkungen nicht versagen. Die Ausstellung von 1873 fällt nicht mehr in die Zeit der äußersten Geschmacklosigkeit, wohl aber in eine solche vollkommener Rathlosigkeit. Nachdem es sich im Verlaufe der letzten Sechziger Jahre auf anderen kunstgewerblichen Ge- bieten so frisch und zukunftsfreudig zu regen begonnen hatte, dämmerte auch in der Damenwelt allmälig die Erkenntniss auf, dass es in den alten Geleisen nicht mehr weiter gehen könne. Man empfand die Unzu- länglichkeit der Technik, die Mängel der Muster, vor Allem aber die Verkommenheit des Farbcnsinnes. Die Folge davon war, dass man zunächst der Anwendung von Farbe möglichst aus dem Wege ging und sich mit Weißstickerei und Imitation alter genähter Spitzen begnügte. Damit war immerhin etwas gewonnen, wenngleich die Zeichnung in Folge Mangels an brauchbaren Vorlagen in der Regel grundschlecht blieb. Das Beste war noch immer die Ausführung, was sich wohl aus dem Wesen der weiblichen Handarbeiten erklärt, die ja ohne mückcnseiherische Sorgfalt und Geduld nicht denkbar sind. Dieser meist tadellosen Sauberkeit der ma- nuellen Ausführunglmag man das Lob zuschreiben, das die Berichterstatterin von 1873 für die Arbeiten der Dilettantinnen im Großen und Ganzen äußern zu dürfen glaubte. Die Industrie schwamm lustig mit der Mode: Spitzen und Weißstickerei. Eine Ausnahme, die nicht unerwähnt gelassen werden darf, bildete ein Industrieller, Carl Giani, der in kirchlichen Stickereien die großen Traditionen dieser der höchsten Prachtentfaltung dienenden Kunst nach Kräften aufrecht zu erhalten suchte. Aber konnten auch seine Erzeugnisse nicht völlig den Charakter der Zeit verleugnen, so war von dieser Seite überhaupt für eine Reform der modernen, vor- wiegend profanen Stickerei wenig zu erwarten, wie ia auch die alte Renaissancestickerei, indem sie die häuslichen textilen Gebrauchsgegen- stände mit buntem Schmucke überzog, hiebei keineswegs die steifen gold- starrenden Heiligenfiguren der kreuzbestickten Sammtcaseln zu Vorbildern erwählte. Wie wenig die große Menge der Damen geneigt oder befähigt war, die Nutzanwendung aus den Lehren von 1873 zu ziehen, zeigte sich in den nächstfolgenden Jahren. Der allgemeine Charakter blieb unverändert: wo man es wieder einmal mit Buntstickerei wagte, da entzog sich das Product in der Regel jeder ästhetischen Kritik. Hie und da gelang ein Versuch nach einer Richtung, aber zu vollendeten Leistungen vermochte man es nicht zu bringen. Schienen somit die im Jahre 1873 exponirt