H9. Stricken, Häkeln, Schlingen und Netzen; die Stickkunst ist nur in Märk- tüchern und ganz primitiven Stickereien nach gezählten Faden vertreten. Und es ist gut so; denn wenn die Dinge in Bezug auf Sauberkeit und Präcision, worauf es bei derlei Arbeiten vornehmlich ankommt, tadellos sind, so werden sie regelmäßig unzulänglich, sobald künstlerische Prä- tensionen hervortreten. Dieser Eindruck beherrscht durchgängig die ganze Exposition. Böhmen hat daran weitaus den größten Antheil, ferner einige Wiener Privatschulen. Von Klosterschulen, deren jahrhundertelanger Ruf in weiblichen Handarbeiten von der allgemeinen Decadenz nicht verschont geblieben war, haben zwei in dieser Abtheilung Platz gefunden, nämlich die Ursulinerinnen von Klagenfurt und Kuttenberg. Was die Kloster- arbeit von jeher auszeichnete: äußerste Sorgfalt der Ausführung unter Anwendung von schier unbegrenzter Geduld, das charakterisirt sie auch in diesen beiden Fällen, namentlich in der Klagenfurter Collection. Aber dabei ist sie hier auch stehen geblieben; der frische neue Zug scheint noch nicht über diese Klosterrnauern gedrungen zu sein. Dass aber auch diese Mauern für den künstlerischen Aufschwung nicht unübersteiglich sind, das beweisen in glänzender Weise jene Klosterschulen, die unter die eigentlichen Stickereischulen Aufnahme gefunden haben. (Schluss folgt.) Zinn-Ausstellung in Frankfurt. Der Mitteldeutsche Kunstgewerbeverein besitzt leider noch kein Museum oder eine Vorbildersammlung, welche dem Umfange seiner Wirk- samkeit entspräche. Doch wird dieser Ausfall einigermaßen gedeckt durch die Leibgaben-Ausstellungen, welche dem Vereine von Zeit zu Zeit durch das Entgegenkommen einheimischer und auswärtiger Sammler ermöglicht werden. Die neueste dieser Special-Ausstellungen, am l. Mai eröffnet, hat zum Gegenstande die kun stgewerblich e Verwendung des Zinnes. Bekanntlich sind es zwei Verwendungsarten, in welchen das Zinn den Sammler interessirt; einmal als altes Gebrauchsgeräth, Kannen, Zunft- pnkale, Schraubflaschen, Tafelgeschirr, mit dessen derben, aber immer charakteristischen und gesunden Formen die waltdeutsche Einrichtungw- meist ihre abschließende Decoration erhält. Die andere iGattung von Zinn- sammlungsstücken ist die ungleich kostbarere, von den Franzosen als nOrfevrerie d'etainu bezeichnete. Es sind die Schüsseln und Schmuck- kannen, die sich an die Namen Francois Briot und Caspar Enderlein knüpfen; die Teller mit dem bekannten Flötner-Ornament, Plaquetten mit Reliefdarstellungen nach Behaim, Aldegrever und anderen Klein- meistern. Gerade an dieser letzteren Gattung ist unsere Sammlung besonders reich: Die Vitrine, welche diese Edelgussstlicke aus der Sammlung des Herrn Ricard-Abenheimer enthält, bietet in seltener Voll-