L2 Geschmacks- oder vielmehr Ungeschmacks-Strömungen seit dem Jahre 1860 bis auf unsere Tage aufgelegt, die in eine Chamber of horrors vereinigt zu werden verdienen, um künftigen Geschlechtern zu demon- striren, welches Riesenmaß an Arbeit und Geduld es gekostet hat, um die weibliche Handarbeit aus ihrer Versumpfung wieder zur Kunst zu erheben. Einen durchaus erfreulichen Eindruck gewährt die Exposition der Spitzenschulen. Von altersher war die Production von Spitzen aller Art in den Ländern der habsburgischen Monarchie heimisch. Fast überall wo die Leinenstickerei als Hausindustrie betrieben wurde, fand auch die Spitze eine Pflege, und es ist staunenswerth, zu welcher Feinheit diese subtilen Erzeugnisse der Nadel und der Klöppel unter den groben Händen der Bäuerinnen gedeihen konnten. Aber auch der industrielle Betrieb der Spitzenfabrication ist in Oesterreich nicht neu und an zwei Punkten der Monarchie erfreutier sich jahrhundertelangen Bestandes und ehrwürdiger Traditionen. Das böhmische Erzgebirge hat das Erbe der Barbara Uttmann unter missgünstigen Verhältnissen bis auf unsere Tage zu bewahren ge- wusst; im Süden des Reiches dagegen war stets der Einfluss Oberitaliens, namentlich Venedigs, mächtig, dessen Blüthe in der Spitzenfabrication sich auf die angrenzenden küstenländischen und südtirolischen Gebiete verpflanzte. Als es daher galt, diesen Industriezweig in Oesterreich wieder zu neuem kräftigen Leben zu erwecken, konnte man an alte Traditionen anknüpfen, die freilich einer gründlichen Reform unterzogen werden mussten. Da es sich vor Allem darum handelte, an Stelle des zerfahrenen ziellosen Nachahmens moderner belgischer und französischer Fabricate ein selbständiges zielbewusstes Schaffen in's Leben zu rufen, wurde unter Storck's Führung der Central-Spitzencurs in Wien gegründet, mit der doppelten Aufgabe: erstlich durch Eröffnung eines Spitzen-Zeichencurses neue, stilistisch richtige und durch freie Anlehnung an alte italienische Vorbilder von der Brabanter Modespitze gründlich verschiedene Muster zu gewinnen, sozusagen ein eigenes österreichisches Genre zu schaffen, zweitens die an der Spitzenfabrication in den Districten betheiligten Per- sonen in den entsprechenden Techniken zu unterweisen. Hatte man auf diesem Wege eine Anzahl von Lehrerinnen herangebildet, so gingen diese in ihre heimatlichen Districte zurück, um an den daselbst errichteten Fachschulen das Erlernte weiter zu verbreiten. Diesmal haben diese Fachschulen ziemlich vollständig ausgestellt und ihre Abtheilung darf die Begründer der Reform mit lebhafter Genugthuung erfüllen: wie die Ex- position beweist, haben sie einen durchschlagenden Erfolg erzielt und es ist nur zu wünschen, dass auch die Mode diesem Ümstande durch vere mehrte Verwendung Rechnung trägt. Hiemit wären wir eigentlich mit dem Programme der Ausstellung zu Ende, soweit dieselbe zeigen sollte, was heute in weiblichen Hand- arbeiten geleistet wird und welche Fortschritte auf diesem Gebiete seit