i}. der Miniaturmalerei noch kein Gebäude erblicken könne, das auch nur in den wesent- lichen Formen fertig ist. lndess lisst sich ein leitender Faden wohl Enden. Dieser ist in den nahen äußeren und inneren Beziehungen der Miniaturen zur Schrift gegeben. Eine gedrangte Uebersicht über die Entwickelung der lateinischen Schrift - über ihr Herabkomrnen im frühen Mittelalter, ihre Reform im Zeitalter Carl d. Gn, deren Nach- wirkung durch etwa drei Jahrhunderte fühlbar bleibt, über ihre gänzliche Umgestaltung im späten Mittelalter und ihren Niedergang durch Erfindung der Buchdruckerkunst - dient als Beispiel für jene Beziehungen. Auch was die Miniaturmalerei anbelangt, sei als classische Periode die carolingische Zeit zu betrachten. Diese beherrscht dann wieder die Producte des hohen Mittelalters, die indess einen Rückgang vorstellen. Auch die ganzliche Neugestaltung im späten Mittelalter kehrt wieder, desgleichen der Abschluss durch die Erfindung der mechanischen Vervielfältigung durch Holzschnitt und Kupfer- stich. Dieser im Allgemeinen skizzirte Entwickelungsgang wurde hierauf vom Vortra- genden im Einzelnen verfolgt. Er berührt die erhaltenen Copien von antiken Bilderhand- schriften unter Hinweis auf den älteren Vaticanischen Virgil, auf die llias der Ambro- siana, auf die verschiedenen Terenzhandschriften. Zwei ausgestellte Blatter aus Chate- laine's -Pal6ographie des classiques latins- zeigen die überraschende Colncidenz der Bilder in der Pariser und der Mailänder Handschrift des Terenz. Die Diosltorides- Handschrift in Wien und der Nicander in Paris werden erwähnt. Nach den erhaltenen Copien müssen wir uns einen Begriff von den verlorenen antiken Originalen machen, mit denen sich erst classische Bildung, nachher christliche Religion von Rom aus und später von Byzanz in die Welt verbreitet hat. Als älteste Bilderhandschriften christlichen Inhaltes werden die Wiener Genesis, der Codex Rossa- nensis, das syrische Evangeliar der Laurentiana und der Ashburham-Pentateuch genannt. Letzterer, aus dem 7. Jahrhunderte stammend, dient als deutliches Beispiel des Verfalles von Bild und Schrift im Laufe des frühen Mittelalters. Uebergehend zur Entwickelung der Miniaturmalerei im Westen und Norden, spricht Frimmel von der kalligraphischen Schule der Iren und Angelsachsen. Zahlreiche ausgestellte Proben vertreten diesen, im Ornament ebenso hoch-, als in Wiedergabe der menschlichen Figur tiefstehenden Styl, zu dessen wichtigsten Merkmalen die Anwendung von schmalen Bändern in dichter, abwechselungsreicher Verschlingung gehört. Spitzwinkelige Knickungen der Bänder sind in dem angelsächsischen Geriemsel überaus häufig. Die Initialornamentik, die in den antiken Handschriften gänzlich gefehlt hat, beherrscht die angelsächsischen Miniaturen so weit, dass ihr auch die menschliche Figur sich unterordnen muss. Die gemaldeartig wirkenden Bilder der antiken Handschriften sind hier vollständig verschwunden. Ver- haltnissmaßig eingehend besprach Frimmel hierauf die carolingische Miniaturmalerei, indem er auf die altchristlichcn Elemente, auf die merovingischen, antiken und orien- talischen einging, welche in den carolingischen Bildern nachweisbar sind. So hat man in dem Auftreten des Löwen als Trager von Saulen (z. B. in der Bibel Carl des Kehlen zu Paris) ein schon bei den Assyrern beliebtes Motiv zu erblicken; auch das Auftreten der Elefanten im Ornament weist auf den Orient. Die Bandvcrschlingungen in carolingischen Handschriften lassen entweder angelsächsische oder merowingische Vorbilder erkennen. Ueberaus zahlreich sind die antiken Elemente. Personificationen von Sonne, Mond, Erde, Meer, die Aufnahme von Gestalten aus classischen Mythen (z. B. der Chimaira), nicht zum wenigsten die Architektur der Canoncsarcaden, sowie die Nachahmung von antiken Münzen und Gemmen beweisen die Wichtigkeit der Antike für die carolingischen Miniaturen. Hierauf weist der Vortragende auf einige Beispiele hin, welche die zwei wich- tigsten Gruppen carolingischer Miniaturen: die mit vorwiegend angelsachsischer und die mit mehr antikisirender Ornamentik, vertreten. Auch die mehr originelle, frei erfindende Richtung, die im berühmten Utrecht-Psalter vertreten ist, wird berührt. Diese freie Art der Federzeichnung sei dann auch später nicht ausgestorben, sondern habe in aufstei- gender Entwickelung zu Producten geführt, wie sie uns in den Federzeichnungen der Van Eyck, des Schongauer, XVolgemut und des jungen Dürer bekannt sind. Bezüglich der carolingischen Vulgata in Bamberg hebt Frimmel die silhouetten- artige Behandlung der Figuren und der Landschaft hervor. Roth geranderte Flachen in Gold und in seither schwarz gewordenem Silber bilden die Figuren. Ausgestellt war eine Bause, darstcllend einen streng stylisirten Baum, mit Rosetten an dünnen Stengeln. Daneben sah man die Zeichnung nach einem analogen Motiv, das sich auf einem römi- schen Stoffe des Fundes von El Faijum Endet. (Nr. 403-405 der 1883 ausgestellten Stoße.) Unter den späteren carolingischen Bibeln wird besonders die von Carl dem Kahlen hervorgehoben, unter Hinweis auf Bastard's Publication dieser Bibel. Das Psalterium aureum von St. Gallen leitet zur Kunst des hohen Mittelalters hinüber. Bezüglich der überaus zahlreichen Bilderhandschriften aus dieser Periode wird die Vernachlässigung besprochen, in welcher sie von Seiten der Wissenschaft bisher gelassen werden ist. Die F. X. Kraus'sche Lichtdruckpublication des Codex Egberti in der Stadtbibliothelt zu 41