123 aus dem Hintergründe von Armuth und Verborgenheit heraus und drängten sich von selbst in den Brennpunkt des socialen Tagesinteresses. Und die Kunst, stets wie ein Spiegel das Bild der jeweiligen Gesellschaft mit all' ihrer Begeisterung für Hohes und Ideales, oder ihrer Versunkenheit in Frivolität und Geistlosigkeit wiedergebend, sie lohnte den Malern und Kupferstechern ihren Griff in's Menschenleben mit einem wahren Schatze von Bildern, welche von Ursprünglichkeit, Wahrheit und Humor über- strömen. Wir Nachgeborenen belehren und ergötzen uns an den zahl- losen Stichen und Holzschnitten der Beham und ihrer Zeitgenossen, welche uns die kraftstrotzenden Landsknechte einzeln oder in blutigem Kampfe begriffen vorführen. Und noch größer ist der kunst- und cultur- geschichtliche Werth jener Genrebilder aus dem Bauernleben, aus denen wir die derbe, etwas täppische und doch auch so vollberechtigte Genuss- freudigkeit dieses Standes besser entnehmen, als aus allen Chroniken und historischen Büchern zusammengenommen. Ein Dürer und Hol- bein sind auch hierin mit einzelnen Stichen und Bildern als die ton- angebenden Führer vorangegangen, und ihre Nachfolger sind in dieser Richtung nicht geringer zu achten, als die niederländischen Genremaler, ein Bauernbreughel, Brouwer, Teniers und Ostade, deren Ruhm als Cultur- schilderer allgemein anerkannt ist. Wie Gleichwerthiges z. B. ein Hans Sebald Beham bereits im frühen 16. Jahrhundert zu leisten vermochte, ist aus seinem großen Holzschnitte der Dorfkirtness zu entnehmen. Außer diesem möchte ich aber die Aufmerksamkeit auf jene Suite von Planeten- bildern mit reichster Stalfage lenken, in welchen Beham ältere italienische Kupferstiche Motiv für Motiv copirte, aber höchst geschmackvoll in modernere Formensprache übersetzend, sein Vorbild in jedem Betracht übertraf. Die Baulichkeiten auf diesen und noch zwei anderen Blättern: Die Hochzeit zu Cannae und besonders das Fest der Herodias, können zugleich die eigenthümliche, noch unklare Auffassung der italienischen Renaissance-Architektur durch den deutschen Meister veranschaulichen. Diese Blätter sind allerdings keine Ornamentstiche, aber das ist ja eben ein falscher Gesichtspunkt, dass die genannten Künstler nur solche und nichts Anderes und immer nur in winzigem Formate gearbeitet haben. Uebrigens ist der Fall nicht ausgeschlossen, dass einzelne der kleinen Genrebildchen, Landsknechte, tanzende Bauern oder die Hochzeitstänzer des etwas vornehmer angelegten Aldegrever nicht ganz gut in ornamen- taler Art verwerthet werden konnten, z. B. auf Glasgemälden oder in kleinen Emailmalereien. Gerade Aldegrever hat Landsknechte, Bauern oder mythologische Figuren sehr gerne auf Vorlagen für Dolchscheiden angebracht, und zwar im oberen Theile, während er den unteren, gegen die Spitze zulaufenden Theil zumeist mit reinem Ornament in Blattwerk ausfüllte. Dabei hat er als praktischer Goldschmied nicht den antiken Akanthus benützt, sondern eine mehr heimische, dem Ranunkel- oder Feigenblatt ähnliche Form. die sich an langem Stile auch unsymmetrischen