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sogar schon von directen Fahrten deutscher Künstler nach dem Oriente.
Von Melchior Lorch stammen Costümbilder. Porträts des türkischen
Sultans und die Ansicht der Soliman-Moschee aus dem Jahre 1559; im
selben Jahre publicirt Franz B run einige Blätter mit türkischen Costümen
und 1560 verwendet er die reine Maureske als Füllung des Grundes um
Medaillons berühmter Persönlichkeiten aus dem Alterthume. ln Vorlagen
und Ornamentstichen mehrt sich nun die Maureske von Jahr zu Jahr
und findet auch reiche praktische Anwendung, eingeätzt auf Cassetten
und Walfenstücken, oder eingepresst und geschnitten auf Buchdeckeln,
welche jeder Ausstellung zur Zier gereichen. In Betreff des mauresken
Ornamentes kann dem vorhin erwähnten Peter Flötner nur noch Virgil
Solis ("[- 1562), der nimmer zu erschöpfende Nürnberger Ornamentist,
in Bezug auf Erfindungsreichthum an die Seite gestellt werden, wenn
wir heute gegen 700 Stiche und Schnitte von diesem Künstler kennen
und darunter manchmal auf einem Blatte von der Größe einer Spiel-
karte zwölf und mehr Maureskenmotive zur Auswahl für den Kunst-
industriellen enthalten finden. Dieser Virgil Solis zieht unter den Orna-
rnentmeistern der zweiten Generation die Summe alles von seinen
Zeitgenossen Geborenen, wie es für die erste Generation Aldegrever
gethan hatte und er bringt auch schon reichlich das dritte Element der
deutschen Spätrenaissance in Anwendung, nämlich Trophäen, Blumen
und Thierbilder aller Art, einzeln oder in Jagdscenen vereint, all" diesen
Ueberreichthum auf Blättern von ganz kleinem Formate wie aus einem
Füllhorn verschwenderisch ausgießend. Er und seine Altersgenossen
copiren auch nicht mehr, sondern einmal geschult durch die italienische
Kunst, geht die deutsche Ornamentik, das Erlernte mit unendlicher Erfin-
dungsgabe bereichernd und verarbeitend auf dem eingeschlagenen Wege
so entschieden vorwärts, dass eine Steigerung unabweislich zur Ausartung
und Manier führen musste. Naturbildcr, Thierstücke und Jagdscenen,
sowie die Ueberwucherung der allegorischen Figuren, das charakterisirt
die letzte Entwickelung des Ornamentes im 16. Jahrhundert. Ornaruental
gehaltene Jagden und Bauerngeschichten treffen wir bereits bei Franz
Brun und bei dem Meister D. S. 1559, und sie erhalten sich in Beliebt-
heit bis zu den schönsten kleinen Jagdbildchen eines Hans Sihmacher
vom Jahre 1596; und die allegorischen Figuren und Hermen, mit Frucht-
schnüren zwischen schönes Rahmenwerk mit Einrollungen postirt, beginnen
neben wild phantastischen Grotesken bereits bei Hans Lautensack ca. 1555.
lhnen Platz zu schaHen, verändert sich allgernach der frühere geschnitzte
oder Tischlerrahmen in das Bild eines architektonischen Aufbaues mit
Nischen, Säulen, Voluten und Simsen, und in und auf diesen stehen,
wiegen und dehnen sich alle bekannten und unbekannten allegorischen
Figuren, die olympischen Götter und christliche Heilige, umschwebt
von antiken Amoretten und christlichen Engeln, und Fruchtschnüre,
Trophäen aus Kriegs- und Friedensinstrumenten hängen allerwärts herab,