JIU ten, zum T heil prachtvollen l-lochthälern traf ich zu meiner nicht geringen Verwunderung eine bedeutend entwickelte bulgarische Hausindustrie, die sich höchst wahrscheinlich seit Jahrhunderten von Geschlecht auf Ge- schlecht vererbt hat. Der Bulgare wurde bisher in tendenziöser Weise von seinen Feinden, insbesondere den Griechen, als faul und talentarm geschildert, von ob- jectiverer Seite höchstens als sorgsamer Gemüsegärtner, Ackerbauer und Viehzüchter geschätzt. Mein Erstaunen erscheint daher erklärt, als ich im Balkan zahlreiche Städtchen und Dörfer mit eigenartiger Industrie traf, jedes seine Specialität pflegend, hier Gürtelschnallen und Messer, dort Metallschmuck und Silberfiligran, Thonwaaren, Holzschnitzereien, Leinen, Teppiche, Tuche und Posamentierarbeiten erzeugend und wunderbarer Weise all dies mit den denkbar einfachsten Hilfsmitteln der Technik. Die reiche ornamentale Gestaltungskraft der bulgarischen Schönen zeigt sich schon in der Zier an Männer- und Frauenhemden, der Kopf- tücher, Oberkleider, Gürtel, Strümpfe u. s. w. Man fragt unwillkürlich: wie sind diese rhythmischen Ornamentstreifen entstanden? Gibt es im Balkan doch weder Stickmuster, noch nVordruckereienu. Dabei wiederhol sich selten ein Dessin zum zweitenmale. Jede Frau, jedes stickende Mäd- chen sieht es als Ehrensache an, das selbstgesponnene Leinen mit neuen buntfarbigen Combinationen zu zieren. - Brust-, Gürtel- und Kopf- schmuck, Lampen, Leuchter u. s. w. werden gegossen, und da die Her- stellung der nothwendigen Modelle kostspielig, so findet man hier weniger reiche Abwechslung. - Gleich in der Messerfabrication bewunderte ich aber den Reichthum an verschiedener Form ihrer Griffe und Klingen. Es fiel mir deshalb schwer, in einem Musterlager zu Gabrowa eine kleine Auswahl zu treffen. Beinahe für jeden Stand, für Landleute, Fleischer, Gerber, Schuhmacher u. s. w. werden besonders geformte und adjustirte Messer fabricirt und hiebei ist das Arbeitstheilungsprincip bei diesen pri- mitiven Menschen längst in Uebung. Vratza ist nächst Widdin namentlich durch seine Silberarbeiten be- rühmt. Dort trat ich in die schlichte Werkstätte des ersten Filigrankünst- lers und traute meinen Augen kaum, als ich die einfachen Werkzeuge sah, mit welchen er, vom feinsten Formgefühl geleitet, die zartesten Ara- besken, Blumen, Sternchen u. s. w. aus Silberdraht zusammenbog. Es waren die Bestandtheile jener vielbewunderten Katfeetassenhälter, Frucht- schalen, Cigarrenspitzen u. s. w., welche den Stolz des Harems türkischer Grossen bilden. - lmmer überraschend, erklärt sich doch leichter die oft aulTallend classische Form und Zier der keramischen Arbeiten in ganz Bulgarien. Wie in der Walachei und zum Theil in Ungarn, Siebenbürgen u. s. w. waren es unstreitig die zahlreich in diesen Ländern erhaltenen römischen Gefässe, welche traditionell nachgeahmt wurden; _ Vom Meere und der Donau her bedroht jedoch die industrielle In- vasion den ererbten antiken Geschmack. Die italienische Renaissance hat