2G Eine andere Art von Krankheit der Bilder ist die folgende: Die Farbe, die sich in dem Bilde zerstört hat, steht jetzt als eine undurchsichtige Fläche da; auch in solchen Fällen hat uns die Wissenschaft hilfreiche Mittel an die Hand gegeben. Es gelingt vollkommen, eine zerstörte Farbe wieder herzustel- len, ohne dass man malt. Durch ein genaues Behandeln bewirkt man, dass die Bilder wieder den Eindruck machen, wie früher. Die Mittel, die der Meister angewandt hat als Bindemittel, sind zugleich die Mittel, die auf den letzten Rest des vorhandenen Bindemittels noch wirken. Sie können einen Ei- weissfirniss nur gefahrlos entfernen, wenn Sie wieder einen Eiweissfirniss auf- tragen und mit diesem den alten, versteinerten auflösen. Dies hat mich darauf gebracht, ob es nicht möglich wäre, wenn wir wüssten, wie die Alten gemalt haben, ob wir nicht mit ihren Bindemitteln ihre verhärteten Bindemittel zu lösen vermöchten; und allerdings ist das der Fall, aber ich bin erst in der Mitte der Sache; doch hoffe ich, bald zu einem ganz genügenden Resultate zu gelangen, und werde dann nicht zögern, mein neues Regenerationsverfahren zu veröffentlichen. Nun über Pettenkofer; Er nimmt das Bild, das er beleben will, und legt es in eine Kiste. Der obere Theil der Kiste ist entweder mit Tuch oder einenf anderen Stoffe ausgefllttert, und dieser wird mit absolutem Weingeist ge- tränkt, und dann die Kiste hermetisch verschlossen. Die Dämpfe lösen die Harzmassen des Firnisses, bringen sie in einen gleichen Fluss und machen dadurch das trübe, undurchsichtige Bild klar und lebendig. Allein es war das Verfahren einseitig. Erstens entwickelten sich in den Bildern ko- lossale Sprünge, die früher nicht zu sehen gewesen waren. Zweitens wurde später der ganze Ueberzug grau. Da kam er auf einen zweiten Theil seiner Erfindung, auf die Anwendung des Copaiva-Balsams. Dies ist eines jener Mit- tel, welche verrnöge ihrer erweichenden Wirksamkeit bis in die tiefsten Theile des Bildes eindringen. Zweitens milderte er die Wirksamkeit der Dämpfe. So erreichte Pettenkofer schon viel mehr, und wir sind ihm auf jeden Fall für seine Entdeckung, wenn sie auch nur in einzelnen Fällen sich zureichend er- weist, vielen Dank schuldig. Denn wir haben nicht Mittel genug, wo es sich' um eine solche wichtige Sache handelt. Prof. Kuhn: Ich spreche hier als der Erste, der mit Pettenkofer die Versuche gemacht hat. Er kam auf diese Versuche aus dem einfachen Grunde, 'weil er ia die ganze Veränderung in die Oberfläche versetzt glaubte und auch versetzt fand. Das ganze Verfahren besteht in nichts anderem, als diese Fläche wieder klar und durchsichtig zu machen. Pettenkofer, der gar keine ldee von Bildern hat, fing dieSache ganz confuse an, er regenerirte mit allem Schmutz. Nun kam der grosse Streit. Wir machten mikroskopische Untersuchungen, massen die Sprünge mit Dr. Steinheil in München, machten die Procedur und rnassen dann wieder und fanden, dass die Sprünge um keine Viertellinie grös- ser geworden waren. ln dem Farbenkörper selber kommt so selten eine Ver- änderung vor, weil die alten Meister einen viel grösseren Fleiss auf die Be- reitung der Farbe verwandten. Pettenkofer hatte vollständig Recht, und seine Entdeckung ist durch nichts widerlegt. Ein Bild, das keinen Rest von Firniss mehr hat, kann nicht regenerirt werden. Durch den Copaiva-Balsam, der schon nach den ersten Wochen zugesetzt wurde, gibt man den Farben den pracht- vollen Glanz und die Kraft wieder. Dr. Bayersdorfer: Wer mit dem Pettenkoferschen Verfahren genauer bekannt ist, weiss, dass die Sache so complicirt ist, dass sie hier nicht erör- tert und erledigt werden kann. Für uns handelt es sich nur darum, zu er- fahren, ob das Verfahren Erfolge gehabt hat, die die Kunstwissenschaft billigen kann. Es würde sich empfehlen, ein Referat darüber zu extrahiren.