punkten, die in Norddeutschland zu suchen waren, ja sogar fern ab von Deutschland selbst. Eine deutsche bildende Kunst gab es damals noch nicht wieder, als bereits über die bildende Kunst und ihr Verhältniss zur Poesie in breitester und ausgiebigster Weise philosophirt ward. Sie lag aber den Trägern unseres deutschen Geistesleben nahe genug, und ihr fruchtbare Aufgaben zu stellen, ihr durch praktische Anstalten Untergrund zu scharfen, war ein Goethe z. B. hochbeflissen. Die deutschen Universitäten des Nordens haben wesentlichen Antheil an dieser mächtigen Aeusserung des nationalen poetisch-künst- lerischen Geistes genommen, sie sind hie und da sogar zeitweise die Sitze desselben gewesen, und wir dürfen sagen die einzigartige Stellung, welche die deutschen Universitäten in dem nationalen Leben dieses Jahr- hunderts eingenommen, ruht guten Theils auf diesem Antheil an dem neuen reformatorischen Geiste des vorigen Jahrhunderts, der zunächst im Bereiche der sogenannten schönen Wissenschaften sich aussprach. Dürr und dürftig genug ist der lateinische Leitfaden, welchen der gewandte und gelehrte Professor B a umg art en aus der Leibnitz-Wolfischen Schule seinen Vorlesungen zu Halle, dann zu Frankfurt an der Oder in den vierziger Jahren zu Grunde legte, die zuerst den Namen der Aesthe- tica trugen, einer Wissenschaft von den sinnlichen Empfindungen als ver- worrenen Vorstellungen; aber es war doch einmal der Versuch gemacht, nicht blos von Begriffen, sondern von einem besonderen Gebiet der Ern- phndungen, das freilich viel tiefer stehen sollte, wissenschaftlich zu reden. Der gute Mann hat allerdings bei den Beispielen für die Empfindungen des Schönen die bildenden Künste nicht ganz vergessen. Die Aesthetik bürgert sich zunächst als rein philosophische Theorie seitdem in den Vor- ' lesungen ein, wie sie ja als ein integrirender Theil der philosophischen Gedankenbewegung von Kant zu Schelling, Hegel und l-ierbart bedeutsam sich entwickelte; wir haben heut zu Tage kaum noch -eine Vorstellung davon, mit welchem Eifer die gebildete Welt in Deutschland, die akademische Jugend voran, den Auseinandersetzungen über den Begriff des Schönen, des Charakteristischen, über Idee, Ideal und Symbol einst lauschte, während sie noch kaum eine Anschauung wirklicher Kunstwerke gehabt, oder eine Zergliederung einzelner versucht hatte. Ich darf hier die Worte eines trefiiichen Mannes anführen, eines Karl von Raumer, der von seiner Studienzeit in Göttingen, das damals treff- liche Kunstgelehrte, im Fache der Musik einen Forkel, der bildenden Kunst einen Fiorillo besass, aus dem Jahre 1802-3 und auch noch von späterer Erfahrung redet: nWie von wesenlosen Worten über die Dinge werden so Viele mehr angeregt, als von den Dingen selbst! Gesetzt, ein Gemälde RaphaeYs hinge an einer Wand, gegenüber stünde ein Decla- rnator, der eine hochtrabende Rede in poetischer Prosa über das Bild hielte, würden nicht die meisten Zuhörer dem Bilde den Rücken kehren und ihre ganze Aufmerksamkeit dem Declamator ztuwendil}? So ganz