ist viel zu viel für ein Mädchen, das ist für einen Gymnasiasten überHüssig, und dasjenige, was in dem einen oder dem andern Falle als überflüssig erklärt wird, ist sehr häufig gerade das, was unerlässlich ist, um einiger- massen sicher zeichnen zu können. Am allerschädlichsten und zugleich am lächerlichsten sind häufig die Anforderungen von Industriellen, Fabrikanten u. s. f.; sie, die am meisten fertige und sichere Zeichner brauchen, welche den verschiedensten Auf- gaben des gewerblichen Lebens gerecht zu werden im Stande sind, sie selbst gönnen den angehenden Zeichnern sehr selten die nöthige Zeit im Unterrichte, um fertig zu werden. In einigen Fällen aus Unwissenheit, denn sie selber können in der Regel nicht zeichnen, in anderen Fällen aus Egoismus, denn Manche sehen in jedem gebildeten Zeichner einen künftigen Concurrenten, in den meisten Fällen aber aus vollständiger Gedanken- losigkeit. Da wird denn auch die Kunstgewerbeschule des Museums von hoch und niedrig bestürmt, halb oder gar nicht vorbereitete Zeichner aufzunehmen, welche in möglichst kurzer Zeit, in drei oder fünf Mona- ten, zu tüchtigen Fachzeichnern herangebildet werden sollen. Das Er- werben einer jeden Fertigkeit, das wolle man erwägen, braucht Zeit, "und diese Zeit muss auch dem Zeichenunterrichte gegönnt werden, damit der Zweck, die Fertigkeiten zu erreichen, auch wirk- lich erzielt wird. Am gefährlichsten aber ist dieses Ueberhasten, wenn es sich um Lehrerbildung "handelt. Besser ist es, wenige und tüchtige Zeichner und Zeichenlehrer auszubilden, als oberflächliche und unfertige Menschen in das Leben und die Schule hinauszuschicken. Mit der Zeichenfertigkeit und einem methodisch und ernst geleiteten Unterrichte wird nicht nur die eine Forderung des Aristoteles erfüllt, dass das Zeichnen nützlich für das Leben sei, sondern es wird auch auf diese Weise der Blick für die körperliche Schönheit geschärft, und es wird den Kindern eine Jugendbildung gegeben, nicht blos, weil sie nützlich ist oder nothwendig, sondern eines Freien würdig und etwas Schönes ist. Denn es darf nicht unterschätzt werden, dass das Gefühl der gei- stigen Freiheit beim Zeichnen erst dann eintritt, wenn man das Zeichnen selbst vollständig beherrschen kann. Wie derjenige nur ein wirklich guter Mensch im Leben ist, dem das Gute und sittlich Erlaubte zu thun zur Gewohnheit geworden ist, so wird nur derjenige ein wirklich künstlerisch gebildeter Mensch sein, der von Jugend auf gewöhnt ist, richtig zu zeich- nen, richtig zu sehen und in Folge dessen auch künstlerisch richtig zu denken. Für den Staat aber hat der Zeichenunterricht erst dann eine grössere Bedeutung, wenn er so organisirt wird, dass jeder, welcher die Zeichen- fertigkeit zur Förderung seines Berufes braucht, diesen Unterricht erhalten kann, und zwar am rechten Orte und in der rechten Weise. Dann erst beginnt der Einfluss des Zeichnens auf die Wohlfahrt des Volkes. Und aus diesem Grunde ist man in Oesterreich gegenwärtig bemüht: