188 Provinzen des deutschen Reiches einzubürgern suchten. So scheint es ferner keinem Zweifel zu unterliegen, dass schon irn XVI. Jahrhundert, namentlich im sächsischen und böhmischen Erzgebirge durch flandrische Spitzenklöpplerinnen die ersten Anfänge einer Industrie begründet worden sind, die im folgenden Jahrhundert für die ebengedachten armen Gebirgs- gegenden eine Quelle von andauerndern Wohlstand geworden ist. Gleich- wie jedoch der Thatkraft Colberfs, dem Vorhergesagten zufolge, die Be- gründung und der Flor der Spitzenindustrie in Alengon und in den übrigen lndustriestädten Frankreichs zu verdanken ist, so gebührt der reichen unternehmenden Bürgersfrau Barbara Utmann das unbestrittene Verdienst, dass sie in der letzten Hälfte des XVI. Jahrhunderts die Spitzenindustrie im sächsischen Erzgebirge, wenn auch nicht begründet, doch zu hoher Blüthe gebracht hat. Barbara Utmann stammte aus einer bürgerlichen Familie aus Nürnberg, mit Namen Etterlein und heiratete einen reichen Grubenbesitzer des Erzgebirges. Die Localtradition berichtet, dass Frau Barbara von einer protestantischen Flamänderin, welche in den religiösen Streitigkeiten unter Herzog Alba ihr Vaterland verliess; die Kunst der Spitzenmacherei auf dem Kissen erlernt habe. Im Jahre K56! liess die- selbe aus Flandern eine Anzahl Spitzenklöpplerinnen nach Annaberg kom- men und gründete unter Beihilfe derselben daselbst, vorerst irn kleineren Umfange, eine Spitzenschule, welche es sich zur Aufgabe stellte, die ver- schiedenen Spitzen anzufertigen, wie sie damals in Flandern von der Mode gesucht wurden. Nicht lange Jahre dauerte es und die unternehrnende Frau, die be- reits um das Jahr r575 starb, hatte die Freude, wahrzunehmen, dass im ganzen Erzgebirge und der bairischen Grenze entlang die von ihr ge- gründete lndustrie allenthalben festen Fuss gefasst hatte. Bereits im XVll. Jahrhundert sollen im sächsischen Erzgebirge 30.000 Personen sich mit Anfertigung von Spitzen befasst haben, wodurch mehr als r Million Thaler jährlich diesen von der Natur wenig begünstigten Gebirgsgegenden zufioss. Heute noch ehrt das Städtchen Annaberg im sächsischen Erz- gebirge dankbar das Andenken der hochherzigen Begründerin der säch- sischen Spitzenindustrie. Ueber ihrem Grabe auf dem dortigen Kirchhof erhebt sich ein Monument im griechischen Style, das folgende Inschrift trägt! "Hier ruht Barbara Utmann, gestorben den 15. Januar 1575. Die- selbe gründete die Spitzenindustrie im Erzgebirge und wurde auf diese Weise die Wohlthäterin der Gebirgsbewohner." Gegen Schluss des XVI. Jahrhunderts scheint auch eine einträgliche Spitzenindustrie in und um Dresden grössere Fortschritte gemacht zu haben. Es werden nämlich um diese Zeit in französischen lnventaires und Comptes solche sächsische Spitzen unter dem Namen treilli{ noir d'Allemagne namhaft gemacht. Unter den Schriftstellern, die von der blühenden sächsischen Spitzen- industrie sprechen, sind besonders Anderson und Savary hervorzuheben. Die besseren Sorten von sächsischen Spitzen, besonders jene, die mit der