.1 82 Nadel hergestellt wurden, hatten im XVII. und XVIII. Jahrhundert einen solchen Ruf, dass sogar die Spitzenmacherinnen von England, Schottland und Irland sich durch diese Erfolge angeeifert sahen, die sächsischen Spitzen in ihren Dessins und in ihrer Technik nachzuahmen und so für billigem Preis auf den Weltmarkt zu bringen. In den beiden letzten Jahrhunderten hatte fast in den meisten kleineren Städten und Dörfern des sächsischen Erzgebirges die Spitzenklöppelei festen Fuss gefasst und wurde, was heute auffallend erscheinen möchte, dieselbe meistens von Knaben und jungen Leuten, namentlich zur Winterszeit, wenn der wenig ergiebige Feldbau ruhte, Heissig betrieben. Die Schriftsteller der dama- ligen Zeit machen als eine Eigenthümlichkeit bei den sächsischen Spitzen darauf aufmerksam, dass man genau habe unterscheiden können, ob die Spitzenklöppelei von männlichen oder weiblichen Händen angefertigt wor- den sei. Im ersteren Falle wohne diesen dentelles de Saxe eine grössere Solidität bei, wohingegen im zweiten Falle eine delicatere und feinere technische Ausführung zu ersehen sei. Aber nicht nur im sächsischen und böhmischen Erzgebirge und an der bairischen Grenze entlang wurde die Spitzenfabrication, wie eben angedeutet, mit Schwung betrieben, son- dern auch im nördlichen Deutschland liessen, nachdem in Folge des Edicts von Nantes zahlreiche französische Industrielle aus Alencon und aus anderen Districten der Spitzenfabrication sich genöthigt sahen, den heimathlichen Boden zu verlassen, namentlich in Hamburg, Berlin, Han- nover, Leipzig, Anspach, Elberfeld sich diese in grosser Zahl nieder, denen es durch Fleiss und Umsicht in wenigen Jahren bei dem massen- haften Verbrauch von Spitzen in damaliger Zeit gelang, auf deutschem Boden die Spitzenindustrie ergiebig zu machen und zur hohen Blüthe zu bringen. Diese französischen Flüchtlinge, welche namentlich von dem wgrossen Churfürstena als Künstler geehrt und mit besonderen Freiheiten ausgestattet, in den alten preussischen Provinzen Aufnahme fanden, brachten in kurzer Zeit ansehnliche Reichthümer zusammen und gelang es denselben, den Export von Spitzen nach Russland, Polen und den Skandinavischen Reichen von Norddeutschland aus auszudehnen. Diese Spitzenmanufacturen im nördlichen Deutschland, gegründet von französi- schen Auswanderern, ahmten mit besonderer Vorliebe jene mit der Nadel gearbeiteten und auf dem Kissen geklöppelten Spitzen nach, wie sie in Frankreich hinsichtlich der Dessins Mode waren und wie sie besonders von den Industriellen in Brüssel und Mecheln angefertigt zu werden pflegten. Wie gross die Vorliebe für Spitzen war und wie eine krank- hafte Sucht bis zur Mitte des XVIII. Jahrhunderts in den höheren Ständen Deutschlands vorherrschte, die Profankleider mit allem möglichen Spitzen- werk zu garniren, lässt sich nicht nur entnehmen aus den vielen in der ersten Hälfte des XVIII. Jahrhunderts gemalten Portraits, deren Oberge- wänder mit einer Fluth von allen möglichen Spitzentouren überdeckt sind, sondern auch aus den interessanten Briefen des anglikanischen Bischofs