Was die letzte betrifft, so machten schon die Vorwehen derselben im Beginn der Neunziger-Jahre mit einem Schlage dem übertriebenen Luxus, der mit theuern Spitzen getrieben wurde, ein baldiges Ende. Be- reits um das Jahr 1794 nahte für die französische hohe und niedere Ari- stokratie die Stunde der Emigration. Grosse Kostbarkeiten an Gold und Edelsteinen, die sich leicht tmnsportiren liessen, nicht weniger Schätze von werthvollen Spitzen wanderten mit den Exilirten über den Rhein, um hier zur Fristung einer oft kläglichen Existenz manchmal für Spott- preise verkauft zu werden. S0 gelangten auf deutschen Boden Massen von prachtvollen Spitzen, deren Anfertigung jahrelangen Fleiss und Hin- gabe und deren Erwerbung grosse Summen erfordert hatte. Auch die Kleidermode, für beide Geschlechter, welche noch wenige Decennien vor- her in Anwendung von Spitzengarnituren sich überboten und Ungeheuer- liches geleistet hatte, war unter dem republikanischen Regime und dem spätem Consulat fast in das Entgegengesetzte umgeschlagen. Man gefiel sich jetzt in einem Costüm, welches in Bezug auf Knappheit der Form und des Stoffes an griechische Vorbilder streifend, den ehemaligen Bom- bast von Spitzen und Kanten fast mit _Verachtung von sich wies. Auch nach den glänzenden Siegen des ersten Consuls und spätern Welterobe- rers Napoleon I. gelang es trotz der Anstrengungen des Letztem und seiner Gemahlin Josephine und der spätern Marie Louise der namentlich auf französischem Boden tief darnieder liegenden Spitzenindustrie nicht sich nur vorübergehend von dem durchgreifenden Ruin zu erholen, den die- selbe beim Ausgangedes vorigen Jahrhunderts erlitten hatte. Die Periode der Blüthe für Anfertigung kunstreicher dentelles war nun einmal un- wiederbringlich dahin, die geschicktesten Spitzenklöpplerinnen starben ent- weder nach und nach aus oder wendeten ihren Fleiss lohnenderen indu- striellen Erzeugnissen zu. Zur Beförderung dieses beklagenswerthen Rück- schtittes, welcher ungeachtet der grossen Anstrengungen des französischen Hofes und bedeutender Spitzenhändler und Fabrikanten in Brüssel, Me- cheln, Alencon, Chantilly, noch immer grössere Dimensionen annahm, trug, wie oben angedeutet, auch noch der andere Umstand am meisten bei, dass beim Ausgange des vorigen Jahrhunderts, gegen 1768, ein ge- nialer Engländer, Hammond zu Nottingham, einen Stuhl für Strumpf- wirkereien in Gang gebracht hatte, vermittelst dessen man auch'ein Reseau in Tüll für Spitzen und Kanten herstellen konnte. Erst im Jahre 1809 wurde von John l-Ieathcoat ebenfalls zu Nottingham eine Maschine zur Anfertigung eines feinen Tüll erfunden. Dieser Tüll zur Herstellung von Spitzen hatte anfangs nur die mässige Breite von 3 Centimeter und man nannte ihn im Englischen bobbin net und zwar in Hinblick auf die kleinen Spulen (bobines), welche zur Herstellung desselben verwandt wur- den. Bis zum Jahre 1823 erhielt sich dieser Tüll, ausschliesslich auf englischen Webstühlen nach dem System von Heathcoat angefertigt, ver- hältnissmässig hoch im Preise und war in England und auf dem Conti-