Vorlesungen II luuum. Am 7. und I4. Januar hielt Herr Regierungsrath F. X. Neu mann zwei Vorträge über die Edelmetalle in ihrer Beziehung zum Culturleben, Verkehr und Sitte der Mensch- heit. ln dem ersten Vortrage erklärte er zunachst die mannigfache Einkleidung, welche die Zauberkraft des Goldes und Silbers fand in den Sagen und Mythen vom goldenen Zeitalter, dem Argonautenzug nach dem goldenen Vliesse, von Krosus, Midas, dem Arimaspen-Volke mit seinen Greifen auf dem Altai-Gebirge u. s. w. lm Mittelalter erhielt jener Cultus der edlen Metalle unter dem Einüusse des Mysticismus eine neue Form, die zur Magie und zum Adeptenthum führte und bald ganz Europa zur Forschung nach dem Steine der Weisen und dem Lebenselixir antrieb. Aus der Betrachtung dessen, wie und wo Gold und Silber gefunden wird und ward, ergibt sich die Thatsache von der intensiven Verknüpfung der Edelmetalle mit dem Fortschritte und der geographischen Wanderung der menschlichen Cultur. Mindestens um das Jahr tooo vor unserer Zeitrechnung pflegten die Aegypter bereits ergiebigen Bergbau an der Grenze von Aethiopien. Die grossartigen Schätze, welche die Assyrer, Babylonier und lndier aus Centralasien und dem noch immer nicht bestimmten Lande Ophir sich zu verschaiTen Wussten, erbten sich auf das persische Reich und die macedonisch- griechischen Herrschaften fort. Endlich wurde Rom die Stätte für den Zusammenßuss des Reichthums aus der ganzen damals bekannten Welt. Das Mittelalter bietet nicht viel Stoß" zu einer hier einschlägigen culturgeschicht- lichen Schilderung, um so mehr aber die Neuzeit. Aus den Bergwerken Amerika's kommt neuer Lebensstotf in die europäischen Länder. Seit der zufälligen Auffindung der kolos- salen Schätze Californiens im Jahre 1848 sind von den pazifischen Staaten allein bereits 3200 Millionen an Gold geliefert worden, also in 25 Jahren vier Fünftel von dem Ergeb- nisse früherer drei Jahrhunderte. Auf das andere riesige Fundgebiet, auf Australien, hat im Jahre 1850 nicht der Zufall, sondern die Wissenschaft englischer Geologen hingewiesen, und seither ergab die einzige Colonie Victoria bereits 1800 Mill. Goldwerth. Der Zu- sammenhang alles dessen mit dem Culturleben ergibt sich aus der einfachen Thatsache, dass sich die Bevölkerung Amerika's seit 1840 mehr als verdoppelt, jene Victoria's ver- zehnfncht hat. . Europa gibt seine Menschenkraft. jene Länder zahlen mit ihren Naturschätzen. Nicht minder interessant ist aber auch die Betrachtung des heutigen Rücklaufes der Edel- metalle nach den Landern, welche deren erste Fundorte waren. Zwei Drittheile des jährlich gewonnenen Werthes wandern aus dem Occident für gelieferte Waare nach dem Orient und so kam es, dass in Indien, wo seit dem Alterthum blos ein Naturalleben ge- herrscht hatte, nunmehr wieder eine Geldwirthschaft von vier Milliarden Umlauf blüht. Also wie in den alten Tagen aus dem Besitze von Gold und Silber eine geordnete Wirlh- schaft und mit dieser ein leichterer Aufschwung zu den höchsten Aufgaben der Menschen- bildung; jedenfalls ein natürlicher Beweis für die magische Wirkung der Edelmetalle, wenn man erwägt, dass sarnmtliches je bekannt gewordene Gold und Silber nicht mehr als 30 Milliarden Gulden und einen Würfel ergäbe, dessen eine Seite blos 26 Fuss betragt. ln seinem zweiten Vortrage zeichnete der Redner die Art, wie die Edelmetalle seit Jahrtausenden dem menschlichen Nutzen dienen. Zuerst suchte er die psychologischen Grundlagen für die Beziehungen derselben im Alterthum zum Leben und dessen reicher, künstlerischer Zier und zu der Religion und den Stätten ihrer Uebung; dann beleuchtete er den allmaligen Uebergang im Menschenverkehr von dem Naturaltauschhandel zum Ge- brauche der Edelmetalle als Geld. Die Frage nach dem "Alter des Geldes lasst sich durchaus nicht bestimmt beantworten; jedenfalls reicht es aber nach den neuesten For- schungen bis in das dritte Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung zurück. Während dieser grossen Zeiträume treten auch gewisse Wandlungen in der Verwendung der Edelmetalle zu Culturzwecken überhaupt zu Tage; unser Jahrhundert führt, gegenüber der mittleren und neueren Zeit, wiederum wie das Alterthum bedeutende Werthe der Kunstindustrie zu. Dabei wechselt zu bestimmten Perioden auch im Gelde die Vorherrschaft des Goldes oder des Silbers. Gegen die im Alterthum überwiegende Goldwahrung reagirte das Frankreich Karls des Grossen mit seiner Silberwahrung und an dieser haben besonders die deutschen Staaten bis zum Jahre 187! mit merkwürdiger Zähigkeit festgehalten. Die geringe Unterbrechung durch die goldenen Fiorini der Florentiner (daher die Gulden) wurde bald wieder wettgemacht durch die Silbermünzen der Grafen Schlick v. Joachims- thal, - daher die Thaler und Dollars. Der zweite Theil des Vortrages wandte sich der Währungspolitik der Neuzeit zu, welche dem Bedürfnisse nach exacter Genauigkeit und Stabilität der Geldwerthe entsprang. Prof. Neumann wusste trotz der Schwierigkeit der Aufgabe seinen Zuhörern die Gründe der Vllerthschwankungen von Gold und Silber sammt deren Folgen für die Verkehrs- beziehungen der einzelnen Staaten klar zu machen und sie für die verschiedenen Ver- Suche zu interessiren, welche gemacht wurden, um die unlaugbaren Mängel der bisherigen