Entstanden und zur Blüthe entfaltet sofort mit der Befreiung und dem Triumphe des Christenthums und darnach sinkend mit dem Verfall aller Kunst, hatte sie im zwölften Jahrhundert eine zweite Blüthen- epoche erlangt, ohne aber an Darstellungskraft über die Leistungsfähigkeit der Zeit hinauszugehen oder diese vorwärts zu bringen. Es lag in ihrer Technik, welche, auf breite Flächen und Zeichnung im Großen hin- gewiesen, nicht auf die Wahrheit der Natur, nicht auf Licht und Schatten, auf Modellirung und die feinere Durchbildung des Details sich einlassen konnte. Sie hätte damit die ihr eigene und eigenthümliche Wirkung geschädigt. Diese neue Richtung einzuschlagen und die Kunst auf diesem Wege weiterzuführen, war der Frescomalerei vorbehalten, nicht allerdings derjenigen nordwärts der Alpen, welche noch lange in der llluminirmethode und in der zeichnerischen Unvollkommenheit ver- blieb, als die italienische Kunst schon glücklich auf der neuen Bahn sich bewegte. Und der Anstoß dazu, wie gesagt, ging von der Kirche aus, und zwar von zwei Männern, deren wunderbare Wirkung auf ihre Zeit und Zeitgenossen wohl auf ganz anderem Gebiete liegt, auf dem Gebiete des religiösen, kirchlichen und culturellen Lebens. Ihr Einfluss auf die Kunst ist kein unmittelbarer, kein beabsichtigter, dennoch ging er nicht minder sicher aus der Art ihrer Wirksamkeit hervor. Es sind die Heiligen Fran- ciscus von Assisi und Dominik, die Stifter der berühmten nach ihnen benannten Orden, die geistigen Begründer der Schulen von Florenz und Siena, wenn man den Zusammenhang zwischen ihnen nicht miss- verstehen will. In einer Zeit, da die christliche Bevölkerung Europa's sich aus den roheren Zeiten des Mittelalters zu erheben begann, da sie für geistiges Leben, für eine feinere Cultur, für Poesie, Schwärmerei, Enthusiasmus empfänglich wurde, in solcher Zeit, im letzten Viertel des zwölften Jahrhunderts, kam der heilige Franz zu Assisi auf die Welt, der Sohn einer wohlhabenden vornehmen Familie. Die Schwärmerei, das Feuer des Glaubens, die ihn schon als Knaben und Jüngling erfüllten, führten ihn durch ein wunderbares Leben. Er sah die Armen, und ergriffen von Mitleid, warf er den eigenen Reichthum hinweg, um selber arm zu werden und arm zu leben. Ein Regenerator des Lebens übte er wie ein Wunderthäter eine erschütternde Wirkung über die Herzen der Menschen. Sie glaubten an ihn, an seine Lehre, an seine Wunderthaten, an seine Visionen und Verzückungen. So bildete sich eine großartige, alsbald überall verbreitete Gemeinde seiner Anhänger und Jünger, denen sein Leben zu einer Reihe von Legenden sich gestaltete. Als er starb, hinterließ er ein Heer von Predigern, denen die Menschen zuliefen, dass die Kirchen leer standen. Sie predigten im Freien, weil die Gebäude dem Andrange der Menschen zu klein waren. Da, als unter diesem Zulauf die Mittel sich sammelten, erbauten sie ihre eigenen