75 schuf. Schon die reine Renaissance mit ihren Rundbogen und einfacherem Gewölbsystem gewährte mehr und besseren Flächenraum zur Entfaltung der Malerei. Noch erhöht aber geschah es, als der Barockstil die Säulen- reihen und die dreischiffige Eintheilung aufgab und das Innere der Kirche in eine einzige ungebrochene Halle verwandelte, über welche sich eine flache Decke oder ein nur wenig gehobenes Spiegelgewölbe legte, eine Veränderung, zu welcher das ursprünglich vom Protestantismus hervor- gerufene Bedürfniss der Predigt wohl am meisten beigetragen hatte. Hier nun auf dieser flachen Decke war es ganz besonders, wo die Malerei, welche durch die Schule der Bologneser in einem großen und reinen Stil erhalten wurde, sich in reichen und mächtigen Darstellungen erging. Die Perspective, welche den Meistern des Mittelalters so viel Schwierigkeit bereitet hatte, wurde jetzt, mit Hilfe einer ausgearbeiteten Wissenschaft, spielend bewältigt. Und wie in den Hallen der Paläste auf den Plafonds der ganze Olymp sich in den Wolkenhirnmel emporthürmte, so thronten auf den Decken der Kirchen Gott Vater und Christus mit allen himmlischen Heerschaaren, emporsteigend in die Unendlichkeit der Lüfte, des blauen Aethers. So fehlte es den Kirchen des siebzehnten Jahrhunderts keineswegs an reichem bildlichen Schmuck, aber was diesem selber fehlte, das war der Ernst und die Tiefe des religiösen Ausdrucks. In dieser Beziehung mussten diese gewaltigen Malereien - und das gilt nicht minder von den Oelgemälden, welche reichlich die Altäre schmückten - hinter den in Zeichnung und Ausdrucksweise so unvollkommenen Gemälden des Mittelalters zurlickstehen. Der Charakter dieser Malereien des siebzehnten und auch des achtzehnten Jahrhunderts südwärts wie nordwärts der Alpen ist ein wesentlich decorativer, von dem die asketische Schule der Spanier wohl eine Ausnahme macht, ihm aber so wenig widerspricht, wie die Darstellungen meist vereinzelter Heiligen, welche schwärmerisch und sehnsuchtsvoll den himmelnden Blick nach oben richten. Es ist mehr Affect als Ernst. Der decorative Charakter wird noch bestätigt und bestärkt durch all" das Beiwerk, welches in dieser Epoche der barocken Kunst die Kirche zu schmücken hatte. Wieder wie im Mittelalter ging man darauf aus, keinen Fleck unverziert zu lassen, alles, was nicht die Gemälde bedeckten, mit Ornamenten zu verzieren, die freilich an Erfindung, an Reinheit, an Schönheit viel zu wünschen ließen. Farbe und Stucco waren es vor- züglich, welche im Norden die Mittel des Schmuckes bildeten; zu ihnen trat, wo das Vermögen vorhanden war, so reichliche Vergoldung, dass die Gesammtwirkung wohl eine prächtige, keineswegs aber immer eine harmonische oder edle war. Bei unsolidem Material war die Rechnung auf den Schein gestellt. Wie die zahlreichen Statuen mit ihren falschen, alfectirten Geberden und Stellungen nur da zu sein schienen, um Figur zu machen, so war es auch nicht anders mit der ganzen decorativen