135 der griechischen durch ihre groBere Breite und außerordentliche Tiefe. Masken kamen aber in Rom erst im zweiten Jahrhundert auf, als die Bedingungen, unter welchen gespielt wurde, jenen in Griechenland ähnlich geworden waren. Da es aber keine Or- chestra gab, konnte der Schauspieler aus nachster Nahe beobachtet werden, was die Empfänglichkeit der Zuschauer bedeutend steigerte und zu immer weiterer Ausbildung der Sprache und ganz besonders der Geberde führte. Mit dem Hinweise auf die typi- schen Figuren des römischen Schauspiels, die verschiedenen Arten desselben und der Bedeutung der Palliata auf die Entwickelung der Schauspielkunst schloss der erste Vor- trag, so dass der folgende sofort mit der Geschichte der Mysterienbühne beginnen konnte. Diese Bühne halt der Vortragende für die einzige, welche ihrem Zwecke ganz entsprach. Die zwei Hauptformen derselben, die eine in aufgebauten Stockwerken, die andere in der Ebene, sowie die verschiedenen Abarten dieser Formen wurden nun ein- gehend geschildert und die Mysterien-Darstellung in der Ebene speciell am Luzerner Osterspiel anschaulich gemacht. Von einer Kunst konnte hier noch keine Rede sein, ebensowenig wie von einer Täuschung, Alles beruhte noch auf der religiösen Begei- sterung. Einen bedeutsamen Schritt zur Vereinigung der Vortheile des antiken Theaters und der mittelalterlichen Mysterienbiihne bezeichnet aber die Bühne, welche das Ober- ammergauer Passionsspiel aufweist. Der Vortragende erörtert nun eingehend die Be- schatfenheit und Vorzüge dieser Bühne, constatirt jedoch am Schlusse dieser Schilde- rung, dass auch hier eine Kunst der Darstellung sich nicht entwickeln konnte. Die Wirkung bleibt in erster Linie eine bildliche, indem die Grundbedingung einer künst- lerischen Darstellung, das Aufgeben der Persönlichkeit sowie die Verleugnung und Um- gestaltung zum Zwecke der Tauschung fehlen. Das Passionsspiel ist in erster Linie Gottesdienst, der sowohl Darsteller als Zuschauer in eine Art Verzückung versetzt. - So war denn eine eigentliche Schauspielkunst erst müglich nach der gewaltigen Be- wegung der Reformation, welche das Individuum in ein freies, verantwortliches Wesen umwandelte, und unter dem Einilusse der dramatischen Schöpfungen Shakespeares - Wie die armliche Bühne Shakespeares trotz aller ihrer Mängel nun zum ersten Male eine wahrhafte Charakterdarstellung in die Welt brachte, wie diese nur bei genügender Nahe des Zuschauers und bei maßvoller scenischer Ausstattung sich entwickeln kann, und somit das englische Theater in geistiger Beziehung für die Zukunft ebenso maß- gebend wurde wie in Bezug auf die außere Erscheinung, indem die Eintheilung in Logen und Range sowie die Unsitte der Prosceniumslogen vom englischen Theater ihren Weg nach Frankreich nahm und hier sich der bis heute giltige Typus des Theaters mit all' seinen nachtheiligen Eigenthümlichkeitea feststellt, wurde nun in langerer Ausführung dargelegt, um schließlich den Nachweis zu führen, dass wir bis heute kein Schauspiel- haus besitzen, welches seinem Zwecke vollkommen entspricht. Die verschiedenen hier in Betracht kommenden Momente, soweit sie die Wechselbeziehungen zwischen Schau- spieler und Zuschauer berühren, wie die Hohe und Tiefe des Zuschauerraumes, die An- ordnung der Sitze, die Sehlinie des Zuschauers u. s. w. wurden eingehend gewürdigt und endlich das Bayreuther Opernhaus als das mit Rücksicht auf die Anlage einzig zweckdienliche Theater bezeichnet. Auf die uothwendigen, weil im Wesen der Schau- spielkunst liegenden, geringeren Dimensionen reducirt, wurde diese Form des Theaters sich auch am besten für das Schauspiel eignen. Von solcher Anschauung ausgehend, unterzog der Vortragende den Zuschauerraum des neuen k. k. Hof-Burgtheaters einer eingehenden Kritik, welche manche schwere Bedenken heraufbeschwor, ohne jedoch die Hotfnung, dass auch im neuen Hause die gute alte Tradition schließlich siegen werde, gänzlich schwinden zu lassen. - Am 8. März folgte ein Vortrag des Prof. Dr. W. Neumann vüber kirchliche Schatzkammern in Oesterreichc. Der Vortragende präcisirt zunächst sein Thema dahin, dass er die bedeutendsten Sammlungen kirchlicher Kunstgegenstände, namentlich aber diejenigen, welche bei der kirchlichen Ausstellung sich betheiligt haben, bespricht, sie mögen nun in eigentlichen geistlichen Schatzkammern, oder in Sacristeien aufbewahrt werden; nur die Museen und selbst größeren Sammlungen die in Händen von Laien sind, schloss er aus. Er schilderte die mittelalterlichen Sagrer (Sacrarien) und die Heilig- thumstühle im Allgemeinen und gab an der Hand der Geschichte die _Gründe an, warum in Oesterreich sich nicht so großartige Werke kirchlicher Goldschmiedekunst erhalten konnten: eingehender besprach er die wiederholte Ablieferung von Edelmetallen und Edelsteinen aus den kirchlichen Schatzkammern und Sacristeien, um dem nothleidenden Staate zu Hilfe zu kommen. Aus allen Gründen zusammengenommen findet _er es be- greiflich, dass es keine kirchliche Schatzkammer in Oesterreich gibt, die mit Hildesheim, Köln, Aachen sich messen könnte. Die Schilderung der einzelnen Schatzkammern benützt der Redner zu kunsthistorischen und kritischen Anmerkungen: so schreibt er_das be- kannte gothische Ciborium von Klosterneuburg mit den roth und blauen Emaillen der durch Nicolaus von Verdun sicher angeregten Wiener Emaillirschule zu, die ja im Stande