So hätten wir genaue Umschau in dem Kreis der Motive, in der kleinen, aber reichen Formenwelt gehalten, die an den Wänden dieser nun wieder zugeschütteten Räume ihre wechselvollen Reize ausbreitete. Da dieselbe jedoch bei allem Wechsel zugleich gesetzmäßig und organisch erscheint, hielt ich es für unerlässlich, auf die Elemente und Ausdrucks- mittel der decorativen Cumposition in diesem Fall prüfend und zerglie- dernd einzugehen. Bezüglich des Farbensystems mögen folgende An- deutungen genügen. Der bestimmende Grundton ist allenthalben in der Färbung der unteren Wandflächen angeschlagen; von da aus bedingt sich theils in Contrastwirkungen, theils in vermittelnden, leiseren Uebergängen die Farbenscala für die Säulen und Pilaster, die gliedernden Bänder, die Gesimse und Zierfriese; die feinen Ornamentsäume - mit dem Pinsel mehr hingezeichnet als gemalt -- legen sich dazwischen in zart vibri- renden Linienbewegungen; ganz oben hinan wird es hell und heller, gleich gemaltem Oberlicht. Das Zinnoberroth der Cabinete 2 und 4, welche uns wegen ihres decorativen Gehaltes zunächst beschäftigten, ist von einer eigenartigen Haltung des Tons, sonst nicht specil-isch für diese etwas vorlaute Farbe. Die Decoratoren grundirten hier wohl schwarz und legten dann das Roth darüber. Es wurde durch die dunkle Unter- lage nicht abgestumpft, nur beruhigt, und bekam einen vornehmeren Charakter. (Vielleicht war dieser Vorgang auch durch die technische Schwierigkeit des gleichmäßigen Auftrages mit veranlasst.) In der Folge- zeit der pompejanischen Wandmalerei hat man diese Kunst, die in Flächen angelegten Farben zu adeln, wieder theilweise vergessen. Sie stellen sich abermals in ihrer Naturunart neben einander und schreien oft eine in die andere hinein, ganz papageienhaft. ln dem farnesinischen Haus ist dies auch sehr bemerkenswerth, wie sich aus der Hauptfarbe der Wand heraus der coloristische Accord in die Details, sogar in das Colorit der Bilder hinein harmonisch zerlegt, und all' dies Einzelne wieder in das Unisono der Haupttönung zurückgeht. Außer dem Roth der beiden vielbesprochenen Cabinete treffen wir ein (allerdings zweifelhaftes) Hochgelb im Zimmer 5 an, dann ein reines Weiß ebendaselbst, und weiter in dem Bruchsück des umkreisenden Corridors 6 und in dem Kryptoporticus t. Aber auch dieses Weiß ist keine leere Tünche, sondern eine Charakterfarbe, entweder ein Weiß mit Elfenbein- schimmer, oder in ein zartes Lichtgrau spielend. Es bedingt wieder nach dem Gesetz der Farbenharmonie eine hellere Stimmung für die Colo- ristik der formalen Details. Die srnaragdgrünen Säulenschäfte im Krypto- porticus sind dadurch völlig motivirt. Und im schärfsten Gegensatz dazu steht das tiefe Schwarz in Zimmer 3. All" dasjenige, was das Ornament, die Gliederung, das Bildliche an Detailfarbe braucht. steigt hier nicht minder überraschend aus dem Dunkel der Grundfarbe heraus, um wieder einstimmend mit ihr zusammen zu klingen. Wie weich geht das saftige