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finden, aber man verkennt vollkommen die Lage der Dinge und das Ziel
der Aufgabe.
Man stützt sich auch hier wiederum auf den österreichischen Vor-
gang. Man hndet in den österreichischen Arbeiten vorwiegend den Cha-
rakter der italienischen Renaissance und glaubt nun für Deutschland die
sogenannte deutsche Renaissance fordern zu müssen und mit ihr der vater-
ländischen Kunstindustrie einen eigenen Vaterländischen Kunststyl schaffen
zu können. Der lrrthum ist doppelt und dreifach.
Es ist zwar etwas Wahres daran, dass die Werke der österreichischen
Kunstindustrie, die auf den Ausstellungen die Augen auf sich gezogen,
wenn nicht gerade vorwiegend, doch vielfach italienische Art gezeigt haben.
Der Grund dafür liegt aber wiederum durchaus nicht in der Absicht, son-
dern einerseits in der Bildung und Richtung der leitenden Künstler,
andererseits in dem Umstande, dass die italienische Renaissance weit mehr
Originalität, weit mehr Reichthum der Motive besitzt und dem Künstler
weitaus grössere Freiheit lässt als die abgeleitete und beschränktere
deutsche Renaissance. Es ist weder diese letztere noch irgend eine andere
Art ausgeschlossen, es sei denn durch ihre Widersinnigkeit, Unbrauchbar-
keit oder Unschönheit.
Aber der Hauptirrthum steckt nicht darin, sondern in der Sache
selbst. Es ist bereits erwähnt worden, dass die Renaissance, so weit wir
sie auch fassen mögen, unzulänglich ist, für alle künstlerischen Bedürfnisse
in Decoration, Geräth und Schmuck die Vorbilder zu liefern. Das ganze
Geschirr z. B. für den Thee- und Katfeetisch ist ihr völlig unbekannt und
steht noch heute ihren Formen gänzlich ferne. Wir würden uns ferner
einer Fülle von Schönheit berauben, wir würden anderen lebendigen
Quellen zahlloser, nicht minder glücklicher Motive entsagen müssen, wollten
wir uns einzig und allein an die Renaissance binden. Gilt dies aber für
diesen Styl selbst in seiner grössten Weite, um wie viel mehr für einen
Theil desselben, der, so viel Schönes er auch geleistet hat, so viel Gutes
noch heute von ihm erhalten ist, so viel Gutes, das die ähnlichen Arbeiten
des neunzehnten Jahrhunderts weitaus in Schatten stellt, doch immer nur
eine Variante des Kunstgeschmackes seiner Zeit bildet und an Reichthum
und Grösse sich mit den Leistungen der ganzen Kunstepoche, die wir
Renaissance nennen, gar nicht vergleichen lässt. Und die Sache steht
noch viel schlimmer, wenn man die Formen und Vorbilder ansieht, welche
sich die'Vorkämpfer für die deutsche Renaissance auserwählen. Es sind
die schweren und plumpen Formen der Spätrenaissance, die verzopften,
manierirten Erfindungen Dietterlin's und ähnlicher Leute. Wenn das der
deutsclle Styl der Zukunft sein soll, ist er nur sich, nicht aber der Welt
gefährlich. Mit der deutschen Renaissance. mit ihr allein, wie es heute
sein ll, wirft man also die Fülle und die Freiheit von sich und wählt
freiw'lig Armuth und Beschränktheit, selbst Unschönheit.