379 ausnahmsweise begegnet man in elementaren Fortbilduugsschulen Zeich- nungen nach historischen Compositionen (z. B. aus der Schöpfungs- geschichte des alten Testamentes) oder complicirten Blumenstücken nach Vorlagen. Auch die Benützung französischer Vorlagenwerke ist seltener geworden, als es früher der Fall war, wo Julien ausschliesslich dominirte. Es lassen sich bei dem nicht ganz genügenden Stande des Lehrapparates noch immer französische Vorlagenwerke nicht ganz entbehren, so wie sich der Einiluss der herrschenden Kunstanschauungen nicht immer abweisen lässt. Aber bedauerlich bleibt dies immer; denn die französischen Vor- lagen greifen häufig störend iu den methodischen Gang des Unterrichtes ein und verwirren die Köpfe des Arbeiterstandes, der eben in seinen Kunst- anschauungen durch den Zeichenunterricht gefestigt werden soll; und die Zeichnungen nach Vorlagen der deutschen Renaissance sind, da die deutsche Renaissance auf den Schultern der italienischen ruht, nur für jenen Zeichner und Handwerker erfolgreich zu benützen, welcher überhaupt in den Grund- elementen der Renaissance wohl bewandert ist. Sonst erzeugt sie schwül- stige Ornamente, überladene Formen und die Neigung, gedanken- und principienlos zu arbeiten. Man kann nur erschrecken, wenn man Vorlagen aus der w-Gewerbehalleu, aus Hirth's sonst trefflichem Formenschatze in den Händen von Tischlergehilfen und Gesellen in gewerblichen Fortbildungs- schulen erblickt, welche nicht einmal in den Elementen der Säulenord- nungen bewandert sind. Es ist ia gar nicht möglich, dass Vorlagen ähnlicher Art verstanden werden. Noch bedauerlicher ist, wenn man in diesen Schulen schon an das Componiren geht. Man sollte solche Aufgaben, bei denen ein Zögling in elementaren Entwürfen seiner Phantasie und seiner Er- findungsgabe Luft zu machen strebt, gar nicht Compositionsaufgaben nennen, wenn man erwägt, wie schwer es ist, Cornpositißnen zu entwerfen, undwie selten ein Lehrer und Meister geistig kräftig genug ist, um com- poniren zu können; denn die Aufgabe eines geschulten Arbeiterstandes ist in erster Linie, eine bestimmt begrenzte Aufgabe tüchtig und verständig ausführen; das eigentliche Entwerfen und noch mehr das eigentliche Er- finden steht ihm ferner; am wenigsten kann es Aufgabe in gewerblichen Fortbildungsschulen sein, Anleitung zum Entwerfen zu geben und com- plicirte Schmuckkästchen im wmexicanischen und gothischenu Style dem Publicum vorzuführen. Es ist wahr, dass der Stand unserer Gehilfen und Arbeiter oft die sehr bedenkliche Neigung hat, den Pegasus zu besteigen und einen Flug in das Reich der Phantasie zu unternehmen - aber gewiss hat Niemand Ursache, diese Neigung der modernen Menschen, mehr zu erscheinen, als sie sind, noch durch Schulen zu unterstützen - und es liegt darin eine grosse Gefahr, vor der nicht genug gewarnt werden kann. Fortbildungsschulen, Baugewerkschulen und Anstalten ähnlicher Art sind einzig und allein bestimmt, den wArbeiterstandu zu schulen. Der Unterricht muss so ertheilt werden, dass bei den Besuchern desselben die 11'