392 lichen Emancipationsgedanken, welche durch allgemein vage Vorstellungen in der weiblichen Jugend so leicht Platz greifen, mehr und mehr ver- schwinden, wenn die Mädchen schon in der Volksschule auf den Selbst- erwerb hingewiesen werden. Es würde dadurch auch jener unglücklichen Manie, die besonders in Wien herrscht, mehr der Boden entzogen, auch Mädchen von unhemittelten Eltern im Fortepianospielen unterrichten zu lassen, wodurch viele Zeit vergeudet wird. Allerdings muss der gewerbliche Unterricht für Mädchen stets nach den localen Verhältnissen geregelt und mit praktischem Verstande auf jene gewerblichen Uebungen und Fertigkeiten Rücksicht genommen werden, wodurch die Grundlage einer gesicherten Existenz geschaffen wird. Es Jdal man Industrien, in denen die Geschicklichkeit der Mädchen jener der Knaben überlegen ist, und zwar füx alle Gattun- gen von sogenannten Galanteriearbeiten, in der Erzeugung von Kunst- blumen, in der Porcellanmalerei, in Decorationsarbeiteu, Cartonnagear- beiten, Kunststickereien u. s. f. Viele von den Mädchen, die sich weiter ausbilden und bei denen sich nach und nach ein künstlerisches Talent entwickelt, können in der feineren Porcellanmalerei, in der Emaillage Be- schäftigung finden. Es ist unglaublich, welche Fortschritte in dieser Be- ziehung anderwärts gemacht worden sind. ln Paris findet man bei den Ausstellungen im nSalonu eine Menge von hervorragenden Arbeiten, die durch Mädchen und Frauen gemacht wurden, und die Zahl derselben ist noch immer im Zunehmen begriffen. Gewisse Zweige der Kunst sind in Paris gegenwärtig durch die Kunstfertigkeit der Frauen den Männern voll- ständig aus den Händen gewunden und werden von den Frauen in be- wundernswerther Weise geübt. Den Herren, welche sich mit dieser Frage beschäftigen, würde ich rathen , solche Ausstellungen regelmässig zu be- suchen, bevor sie über diesen Gegenstand in öffentlichen Blättern schreiben, denn die meisten hierüber publicirten Zeitungsartikel zeigen gar zu deut- lich, dass sie von Schriftstellern ausgehen, die über die Sache selbst wenig unterrichtet sind. Es ist freilich sehr schön gesagt, die heutige Volksschule habe nicht die Aufgabe, den künftigen Handwerker, Kaufmann, Gelehrten u. s. f. vorzubereiten, sondern sie brauche nur das zu lehren, was für Jedermann zu wissen nöthig ist; eine Theorie , die so ziemlich auf das hinausläuft, was gewisse Volksbeglücker so häufig im Munde führen, nämlich dass die Volksschule den Knaben zum Staatsbürgerthum zu erziehen berufen sei und ihn reif machen solle für das öffentliche Leben. Und in Wahrheit mag es auch so werden; es wird ein Geschlecht herangezogen, geneigt, in politischen Versammlungen das Wort zu führen, in Vereinen zu er- scheinen und hier dasjenige praktisch zu verwerthen, was Jedermann aus Verfassungskunde und ähnlichen Disciplinen sich angeeignet hat. So wie Fortsetqung auf der Beilage.