solcher Bedeutung vorübergehen lassen, ohne dasselbe von einem all- gemeinen Standpunkte aus zu würdigen, ohne insbesondere von der gegenwärtigen Beschaffenheit des deutschen Kunstgewerbes Kenntniss zu nehmen und zu geben. Wenn man das, was diesen Sommer hindurch in München von deutscher Kunstarbeit ausgestellt ist, richtig beurtheilen will, so muss man mancherlei Dinge bedenken und einen relativen Maßstab anlegen. Und zwar in doppelter Weise. Einmal ist es nicht das ganze Deutsch- land, welches auf dem Plane erschienen ist. Es fehlt z. B. fast gänzlich die rheinische Möbelindustrie, es fehlen ganze Provinzen aus dem Osten und dem Norden, es ist das Elsass im Verhältniss zu seiner außerordent- lichen lndustrie nur schwach vertreten. Wir legen aber auf diese Unvoll- ständigkeit in quantitativer Beziehung nicht allzu großen Werth für die Beurtheilung. Das Fehlende hätte allerdings die Masse der Gegenstände vermehrt und vielleicht einen größeren Eindruck von der wirklichen Production des deutschen Kunstgewerbes hervorgerufen, aber qualitativ, was Stil, Geschmack, künstlerische Leistungsfähigkeit betriHt, wäre das Urtheil kaum anders ausgefallen, als wir es aus dem Vorhandenen ge- schöpft haben. Zum andern, was die ästhetische Würdigung betrifft, so darf man wohl nicht vergessen, dass das deutsche Kunstgewerbe sehr jung an Jahren ist, dass sein Aufschwung erst von den Siebziger Jahren an datirt, dass man daher, wenn man einen Vergleich ziehen will, diesen mit der eigenen Vergangenheit anstellen muss. Es ist eine im Fortschritt begriffene Kunstindustrie, welche wir zu beurtheilen haben, nicht eine, welche sich einer langen und gesicherten Blüthe erfreut. Und von diesem Standpunkt aus hat man sicherlich dem, was in der Münchener kunstgewerblichen Ausstellung zu sehen ist, viel Gutes nachzurühmen. Sprechen wir zuerst ein paar Worte vom Arrangement; es legt ja auch das ein Zeugniss ab von dem fortgeschrittenen Urtheil in ästhe- tischer Beziehung. Es war ein in seinem unregelmäßigen Grundplan sehr ungünstiger Platz, der für die Ausstellung erwählt worden, ein lang gestreckter Platz, in welchen die Gebäude von der Stadtseite so ver- schieden und so tief einsprangen, dass sie in der Mitte nur Raum für einen Corridor übrig ließen. Diese lange Stadtseite musste daher künst- lerisch völlig aufgegeben werden, dagegen wurde von der anderen Seite rnit Architektur, mit Benutzung der Allee, der wasserreichen lsar und den gegenüberliegenden grünen Höhen ein solcher Gebrauch gemacht, dass die Gesammtwirkung eine ebenso schöne wie großartige ist. Innerhalb des auf diesem Grundplan entstandenen, ebenfalls ganz unregelmäßigen Gebäudes sollten nun die deutschen Länder untergebracht werden, räumlich jedes für sich, nicht in einer Ordnung nach den Ge- genständen oder lndustriezweigen. Anfangs hatte man die Absicht, das Princip der Anordnung in der Ausstellung von 1876 wieder aufzunehmen,