212 die Gefahr, von welcher sie gegenwärtig fbei uns bedroht ist, vor- übergehen. Damit ist nun freilich nicht gesagt, dass wir die Arbeiten selber, wie wir sie in München auf der Ausstellung sehen, soweit sie dem Mobiliar und der Wohnungseinrichtung angehören, in ihrem künstle- rischen Charakter billigen oder loben wollen. Es liegt in allen diesen Arbeiten ein gemeinsamer Zug, der auch den deutschen Originalarbeiten aus der zweiten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts angehört, der Zug nach Uebertreibung, nach dem Zuviel des Guten. Zu viel Profilirung, zu viel Ornament, zu viel Arbeit - das alte Wort: weniger wäre mehr gewesen, ist gar häufig am Platze. Das schöne Maß, welches das Kunst- werk erst zum vollendeten macht und es über den zeitlichen Werth zu einem bleibenden für alle Zeiten erhebt, das ist es, was den deutschen Arbeiten abgeht. Und das gilt nicht blos vom Mobiliar, wenn es auch bei diesem am meisten in die Augen fällt. Das ganze deutsche Kunst- gewerbe, wie es uns auf dieser Münchener Ausstellung entgegentritt, macht uns den Eindruck, wenn wir mit den Leistungen von 1876 einen Vergleich ziehen, als ob es außerordentlich viel gelernt hätte, und zwar recht gleichmäßig durch alle deutschen Lande. Aber, des neu Erlernten, des neuen Könnens froh, ergeht es sich in einer Anwendung desselben, welche wohl seiner Leistungsfähigkeit, nicht aber seinem Geschmacke Ehre macht. Das künstlerische Urtheil steht nicht auf der Höhe des technischen Könnens. Vom volkswirthschaftlichen Standpunkt aus hat das freilich auch seine gute Seite. Es weist auf einen, wenn auch künst- lerisch unvollendeten, jedoch geschäftlich blühenden Zustand des Kunst- gewerbes hin; es zeigt, dass demselben viele und bedeutende Aufgaben gestellt werden, dass die Production, auch die reiche, ihren Absatz findet, dass es nicht ein Kleingewerbe ist, welches für die Ehren der Ausstellung die letzten und verzweifeltsten Anstrengungen macht. Dieser gemeinsame Zug des Zuviel, der Ueberschreitung des Maßes schließt natürlich nicht aus, dass die Ausstellung auch Gutes und Voll- kommenes bietet. Wir rechnen nicht dahin die für König Ludwig ll. gemachten Arbeiten, welche zum Theil mit Geschick erfunden und Hott gemacht, zum Theil aber auch von äußerster Roheit in Geschmack und Arbeit sind, wie z. B. die blauen Wände mit den aufgepappten goldenen Ornamenten und Figuren. Wohl aber gehören zu den Ausnahmen die Arbeiten der Berliner und Meißener Porzellanfabriken, deren Anblick uns immer auf's Neue den Verlust der Wiener Fabrik bedauern lässt. Wir rechnen auch dahin zahlreiche Goldschmiedarbeiten, sowohl von München wie von den Sitzen der exportirenden Goldschmiedekunst im südwest- lichen Deutschland. Es sind reine und schöne Arbeiten darunter, sowohl in größeren Gegenständen, in Pocalen,Tafelaufsätzen und Ehrengeschenken, wie im Gold- und Juwelenschmuck. Und wenn man das Ganze dieses in überaus reichhaltiger Weise ausgestellten Zweiges der Kunstindustrie