261 Jahrhundert unserer Zeitrechnung. Der Verfasser geht den Spuren und Ruinen dieses antiken Hauses auf französischem Boden nach und reconstruirt es vollständig mit Hilfe der pompejanischen Hauser. Dieses antike Haus bildet ihm die Grundlage seines modernen Hauses, das in der Hauptsache der antiken Anlage folgt. Des Weiteren aber ruft er die moderne Wissenschaft zu Hilfe, und mit den Ergebnissen der Physik und Chemie, ver- bunden mit den Erfahrungen, welche ihm das Studium des antiken Hauses gegeben hat, z. B. in Bezug auf Erwärmung, schafft er alles dasjenige, was das Haus in Rücksicht auf Gesundheit bedarf. Er verschaEt ihm Schutz gegen die Feuchtigkeit des Bodens und die bösen Gase; mit Hilfe der antiken Beheizung unter dem Fußboden (Hypo- caustum) schafft er warme Füße und eine milde Temperatur in allen Räumen; er schafft gutes Wasser, gesunde, frische Luft, hinlangliches Licht mit tiefgehenden Fenstern, end- lich Abwehr gegen Luftzug und die schädliche Ausdünstung der Mauern. Alles das ist klar, wissenschaftlich, verstandig auseinandergesetzt. Man kann zum Besten der Mensch- heit nur wünschen, dass jedes Haus dieser Vortheile theilhafttg wird. Der Verfasser wendet sich aber auch der künstlerischen Ausstattung zu und tritt dabei in Opposi- tion mit dem herrschenden Geschmack der Franzosen. Er will an das Alte wieder an- knüpfen und erkennt insbesondere auch farbige Fenster nicht blos als einen Luxus an, sondern als eine Nothwendigkeit, freudige Harmonie im lnneren zu schaffen. J. v. F. at- Die katholische Kirche und die Renaissance. Von Joh. Graus. z. Aufl. Freiburg i. B. 1888. Lex.-8". 80 S. Wir halten diese freisinnige und geistreiche Schrift des sehr verdienten Conser- vators für Steiermark, Obmannes des christlichen Kunstvereines in Graz und Professors der Kunstgeschichte am dortigen theologischen Seminar, für eine ganz besonders her- vorragende Literaturerscheinung, für eine That geradezu unter den Verhältnissen, welche im heutigen katholischen Clerus in dessen Beziehungen zur Kunst obwalten, nicht nur, weil dieses warm und kenntnissreichYgeschriebene Büchlein einem beklagenswerthen Vor- urtheil in clerikalen Kunstkreisen kräftig und vernünftig entgegentritt, sondern ganz be- sonders deshalb, weil ein Priester selbst in diesem Sinne seine Stimme erhebt. Was der Verfasser hier mit schlagenden Gründen in umständlicher und gelehrter Deduction durchführt, was wir Weltlichen in anderer Weise gleichfalls schon energisch gegen die jetzt herrschende Kunstanschauung des Clerus geltend gemacht haben, heißt mit einem kurzen Worte: Fort mit dem Irrthum, dass es einen alleinbefugten katholischen Kirchen- stil gebe; dass das nur die Gothik sei und dass die Renaissance und ihre weiteren De- rivationen etwas Unkirchliches an sich trügen: erkennt, dass endlich umgekehrt vielmehr für die heutige katholische Kirche ihr viel entsprechenderer Stil derjenige der Barocke sein kann, weil er und sie gleichmäßig aus der Gegenreformation des 16. und 17. Jahr- hunderts herausgewachsen sind. Es lastet über den heutigen Kunstfreunden in der katho- lischen Kirche in der That eine ungeheuerliche Verblendung. Wahrend die Geistlichkeit sonst in allen anderen Dingen gegen den internationalen, kosmopolitischen Gedanken, der in ihrem Sinne in Rom und dem Papstthum seinen Brennpunkt hat, Alles hintansetzt, gegen nationale und Vaterländische, stammeseigenthümliche und geographische Gesichts- punkte in allen Angelegenheiten Front macht, um in Allem auf den Gedanken der südlich- romischen päpstlichen Einheit des Katholicismus zu concentriren, begeht die- selbe katholische Priesterschaft in Sachen der Kunst heute die lnconsequenz, das eminent katholische Moment des aus der Bekämpfung der antikatholischen Tendenzen resultirenden Barockstils zu perhorresciren, als unkirchlich zu verschreien und sich dem sonst oppoaitionell gemiedenen Norden mit ausgesprochen national-germanischer Inclination in die Arme zu werfen. Ist es aber schon nicht die alleinseligmachende Gothik, der man als dem allein katholischen Stil huldigt (obwohl die jüdischen Synagogen des Mittelalters in genau derselben Gothik gebaut wurden wie die Kirchen), so greift man nach den Formen des ältesten Christenthumes, der Katakomben- und Basilikenzeit zurück, und gerath damit wieder in eine Annäherung an den Protestantismus, welche der ka- tholischen Kunst die allerunangemessenste ist, - nur diejenige Stilerscheinung, welche eine kräftige Reaction gegen denselben nüchternen und kunstlosen evangelischen Geist mit allem Zauber der Form und Farbe gewagt hatte, um über ihn kraftigst in den Gemüthern warmfuhlender, südlicher Völker zu triumphiren, denjenigen Stil, welchen Päpste sanctionirt haben und in dessen Gewand die großartigsten Schöpfungen der Kirche an's Licht traten, ihn flieht der heutige Clerus, findet etwas Unheiliges, Unkirchliches in ihm, zerstört seine Denkmale und setzt iammerliche moderne Nachbildungen der alten Gothik an die Stelle. Darum freut es. uns, dass ein geistvoller Priester selber es unter- nimmt, seinen Brüdern den Appell zu vernünftiger Umkehr zuzurufen. llg. i