18 Schritte an schon in einer viel günstigeren Lage als die Plastik. Schon vor dem Jahre 1848 befreiten sich die Wiener Architekten von dem lo- calen Particularismns, und es ist ein Zeichen ihrer Bildung, dass sie sich nicht engherzig abschlossen, wie dies in Berlin der Fall ist. Ludwig Förster, ein Preusse von Geburt, gründete schon im Jahre 1835 in Wien die Allgemeine österreichische Bauzeitung. An derWiener Akademie lehrten drei Architekten, die alle der modernen deutschen Kunstrichtung ange- hörten; zwei von ihnen, Eduard van der Nüll und Siccardsburg, er- warben sich um die Wiener Kunst unvergängliche Verdienste, nicht blos durch die Belebung des künstlerischen Geistes unter den Architekten, son- dern wesentlich dadurch, dass sie die Kraft hatten, in der Akademie eine Schule im eigentlichsten Sinne des Wortes zu bilden. Bis auf den heu- tigen Tag sind es diese Schüler der Akademie, die an dem ganzen Bau- leben Wiens in hervorragender Weise theilnehmen. Später trat in den Kreis der akademischen Lehrer Friedrich Schmidt, ein Schwabe von Geburt, ein, der im Bauleben Wiens noch gegenwärtig eine dominirende Stellung einnimmt. Die Wiener Architekten vertraten verschiedene Richtungen; die mo- derne, der Renaissance zustrebende Architektur fand in Van der Nüll, Ferstel, Hasenauer, Schwendenwein u. A. ihre Führer, der Classicismus in Hansen und die Gothik in Ferstel und Friedrich Schmidt. Durch das Wirken dieser Männer hat die grosse Architektur in Wien einen wunder- baren Aufschwung genommen; aber diese Lichtseiten der Stadterweiterung hatten auch ihre Schattenseiten. Die Bauthätigkeit überstürzte sich bald; die Baugesellschaften förderten -und das lag in ihrer Natur - mehr den Geschäftsgeist als das "künstlerische Element, und dadurch traten auch Erscheinungen auf dem Gebiete der Architektur hervor, welche das künst- lerische Element abschwächten. Die Zahl der Architekten wuchs mit den Baugesellschaften; halbfertige Zöglinge der Architekturschule verliessen ihre Studiensäle, um sich dem überreizten Bauleben in die Arme zu werfen. Diese Verhältnisse mussten auf die Bildhauerei Einfluss haben und die Stellung der Plastik zur Architektur verrücken. ' Die Plastik kam in Ge- fahr, ihre Selbstständigkeit zu verlieren und zu einer dienenden Kunst herabzusinken. Nur bei wenigen Bauten kam die Plastik zu selbsteigener Geltung, am meisten bei dem Hofoperntheater und der Votivkirche. Der Natur der Sache nach konnte die Bildbauerkunst bei der Stadterweiterung erst dann einen bedeutenden Antheil nehmen, als die Baugesellschaften schon das Bauwesen in ihre Hände genommen hatten. Das einzige her- vorragende Talent für Plastik, das an der Grenze der Bewegungsjahre selbstständig auftrat, brachte es nicht zu jenen reinen Resultaten, welche sein unzweifelhaft grosses Talent versprochen hatte ä wir meinen den Kärntner Hans Gasser, der mit seinem Jugendwerke, dem Faustkämpfcr, seine Laufbahn glänzend begann, sie aber nur mit ungleichen Erfolgen durch- führte. Die geistige Schulung, die ihm fehlte und der Geschäftsgeist, der