28 Zwangslagen nicht gefallen lassen. Allerdings liegt in diesem freien Be- stimmungsrecht manche Gefahr; aber man darf nicht verkennen, dass eben auch dadurch die Gelegenheiten vermehrt werden zu Bestellungen für Kunstwerke und dass der Ehrgeiz in den verschiedenen Körperschaften wach gerufen wird, Kunstwerke zu bestellen. Und darauf muss der Accent gelegt werden, und es müssen auch die Bemühungen aller intelligenten Bild- hauer darauf gerichtet sein, dass sich die Gelegenheiten zu Bestellungen von selbstständigen Bildhauerwerken in ganz Oesterreich vermehren; daher muss den Bestellern auch die volle Freiheit in der Wahl der Künstler gewahrt werden. Ob das Werk einem Inländer oder einem sogenannten Auslän- der zu Gute kommt, das ist von secundärer Bedeutung, wenn nur der eingewanderte Künstler tüchtig ist und in Oesterreich seinen bleibenden Aufenthalt nimmt. Die Kunst ist eben keine Zunft und ist es auch nie gewesen. ln der Freiheit der Bewegung der Künstler aller Welt und in der Wechselseitigkeit auch der Kunstwerke liegt ein bedeutsames Element des Fortschrittes auf dem Gebiete der Kunst. Auf diesen Elementen be- ruht auch wesentlich das Wiener Kunstleben auf dem Gebiete der Archi- tektur wie nicht minder auf dem Gebiete der Sculptur. Von den Zeiten Burnacini's angefangen, bis auf die Gegenwart nahmen auswärtige Bild- hauer auf die Entwicklung Wiens Einfluss. Das ist nicht blos in der bildenden Kunst der Fall, sondern auch im grossen industriellen und im wissenschaftlichen Leben, in militärischen wie in den Kreisen der vorneh- men Gesellschaft. Wien und Oesterreich würde geistig das nicht gewor- den sein was es ist, wenn nicht seit jeher hervorragende Künstler oder hervorragende Gelehrte verschiedener Nationen Wien geistig befruchtet hät- ten. Das geistige Leben Wiens darf nicht auf einen partikularistischen oder nationalen lsolirschemel gestellt werden, wie es in Pest, Agram oder Krakau geschieht. Es ist im höchsten Grade bedauerlich, wenn bei Künst- lern und bei Gelehrten, welche ihren bleibenden Aufenthalt in Oesterreich nehmen -darauf ist das Hauptgewicht zu legen -immer von Ausländern gesprochen wird. Sind Prinz Engen, Loudon und Schönhals nicht als gute Oesterreicher zu betrachten? Dürfen wir uns etwa schämen, dass ein Swieten, Peter Frank, oder Boär, ein Füger, Peter Krafft, oder Fritz L'Allemand ihren bleibenden Aufenthalt in Oesterreich, in Wien genommen haben? Sind die deutschen und niederländischen Adelsgeschlechter, die in Oester- reich ihren stabilen Wohnsitz genommen haben, nicht Träger des öster- reichischen Staatsgedankens geworden? - Oesterreich ist einmal ein con- tinentaler Binnenstaat, der naturgemäss stammverwandte Elemente aus den Nachbarländern in sich aufnehmen muss, wenn er nicht zu Grunde gehen will. Sorgen wir nur dafür, dass diese Elemente, die Oesterreich befruch- ten, tüchtige sind; nur vor rnittelmässigen Kräften möge uns der Him- mel bewahren; denn nur die bare Mirtelmässigkeit ist ein Hinderniss der Kunst.