11 Diese Lehren, die man überall, wo orientalische und europäische Gewebe zusammentrelfen, bestätigt linden wird, konnte man auch leicht den Gegenständen in der Ausstellung des Krystallpalastes entnehmen. Das Weiß trat überall auf den europäischen Teppichen, wo es gebraucht war, stechend hervor. Dann, wenn man eine Stufenfolge in immer weiterer Entfernung von der Aechtheit annehmen will, kamen zuerst die Teppiche von Smyrna, dann die (wenigen) englischen lmitationen, dann die hol- ländischen und die deutschen. Französische wie österreichische Teppiche waren überhaupt nicht vorhanden. Die zweite der angegebenen Richtungen in der Teppichdecoration, die europäische, hat der orientalischen gegenüber wohl gemeinsame Cha- rakterzüge; indessen konnte man auch in ihr, nachdem das Auge einmal geübt war, schon von ferne zwei Arten unterscheiden, die englische und die deutsche. Eine dritte Abart, die heute noch daneben existirt, die fran- zösische, war, wie schon angegeben, nicht vertreten. Vor zwanzig Jahren zeichnete sich die englische Teppichfabrication durch die Rohheit und Buntheit ihrer Farben, sowie durch die Ueber- schwänglichkeit ihres naturalistischen Ornaments aus. Von beiden ist heute gerade das Gegentheil ein Kennzeichen der Teppiche vornehmster Art in England. Die Zeichnung des Details ist oft sehr weit geführt, Blumen und Ranken scheinbar naturalistisch und doch regelmäßig angeordnet; aber sie sind so gedämpft und gestimmt in den Farben, dass die Gesammt- wirkung meist eine sehr bescheidene und selten eine unruhige ist. Eine warm grünliche Stimmung in verschiedenen Tönen und Nuancen ist durch- aus vorherrschend, was wohl mit dem entsprechenden Geschmack in der englischen Wohnung zusammenhängt, der die Möbel von einem dunklen, röthlichen Holze liebt und ihnen grüne Wände zum Hintergründe macht. Auch braun, aber gleicherweise gedämpft, Endet sich die Stimmung der englischen Teppiche. In dieser Richtung stimmen die englischen Fabrikanten alle überein: Blackwood in Kilmarnock, Lawson in Leeds, Watson in Kidder- minster, Yates in Wilton. Selten, dass ein Teppich aus der Art schlägt oder nur etwas lebhafter erscheint. Von dieser letzteren Art hatten Hum- phries 81 Sons in Kidderminster einen Teppich ausgestellt, der mit reiche- ren Farben, mit Roth, Olivengrün, Gelb und Blau, eine lebhaftere Wirkung machte; aber er war so glücklich gestimmt, dass er uns der schönste Teppich unter allen modernen auf der Ausstellung erschien. Keiner von allen diesen Teppichen hatte eine geometrische oder architektonische, plafondartige Grundzeichnung. Ein einziger bildete gewissermaßen eine Ausnahme, ein Axminster-Teppich, gezeichnet noch vom verstorbenen Architekten Di gb y Wyatt, einst dem ersten Vertreter der Renaissance in England. Auch dieser Teppich war im Geiste der Renaissance gehalten mit sehr kunst- voller Eintheilung. Aber Niemand würde heute noch einen Teppich so zeichnen. Man konnte nur die Lehre entnehmen, wie verkehrt es ist, die