__'9,9 , man die inneren Räume des neuen Stadthauses ansehen. Das ganze Mobiliar ist im gothischen Style, der gewiss für moderne Wohnappartements nicht der zvireckmäßigste ist, aber hier durch die Natur des Gebäudes geboten schien. Prof. Hauberisser, ein Grazer von Geburt, der Architekt des neuenStadthauses, hat keine Gelegenheit unbenützt gelassen, um der Münchner Kunsttischlerei Gelegenheit zu geben, die Kunstfertigkeit ihrer Meister zu erproben. Auch die, Kunstschlosserei Münchens kann man nur durch kleinere Stücke in der Ausstellung kennen lernen, während im Rath- hause die Schmiede- und Bronzetechnik zu voller Geltung kommt, ins- besonders bei den verschiedenen Beleuchtungsapparaten der Innenräume. Auch auf diesem Gebiete zeigt sich der weitgehende Einfluss der modernen Geschmacksbildung in dem Anlehnen an gute Vorbilder und Zuhilfenahme guter Techniken. Auffallend ist der Fortschritt der bairischen Glasindustrie, deren Fabriken im bairischen Wald an der Grenze Böhmens liegen. Auf der bairischen Landes-Gewerbeausstellung, welche im Jahrei882 in Nürnberg stattfinden wird, werden die Theresienthaler Krystallglasfabrik und die Fabrik Steigenwalrfs Neffen Gelegenheit haben, ihre Leistungsfähigkeit zu erproben. Die Ausstellungen des bairischen Kunstgewerbevereines zeigen auch die großen Fortschritte Deutschland's in der Fayenceproduction. Zahlreich waren vertreten die Fayencen von Utschneider 8: Co. in Saargemünd und die Fayencemder Fabrik S chwarz in Nürnberg, welche auch auf der Grazer Ausstellung durch ihre außerordentlich niedrigen Preise Aufsehen erregten. Keller-Leuzinger in Stuttgart hatte vorzügliche Fayencen und zugleich eine Reihe von Aetzungen auf Zinnplatten eingeschickt, die sich durch geschmackvolle Zeichnung und vor Allem durch virtuose Technik aus- zeichnen. Bei diesem Anlasse wollen wir nicht unerwähnt lassen, dass bei der Außendecorationen des neuen Gebäudes der Akademie der bildenden Künste in München eine Art von steinähnlicher Terracotta Verwendung findet, welche in Mettlach erzeugt wird. Es scheint, dass man sich in dieser Fabrik der Hoffnung hingibt, eine Masse zu erzeugen, welche auch für den statuarischen Schmuck benützt werden kann, dem statuarischen Schmuck aus Stein zum Verwechseln ähnlich sieht und auch sehr dauerhaft sein soll. Dass man überall auf Ersatzmittel der monumentalen Materialien sinnt, ist gewiss kein Zeichen des Fortschrittes auf dem Gebiete der Kunst. Aber es ist nicht zu verwundern, dass man nach solchen Ersatzmitteln in München strebt, wo die große Kunst weder bei Hofe, noch im Staate, noch in der Kirche Vertretung hat. Wie anders war es in München zu Zeiten des Königs Ludwig 1.? Die Schilderung dieses traurigen Capitels behalten wir uns für ein andersmal vor und wenden uns lieber der Lichtseite des Kunstlebens in München zu, welche in dem Aufschwunge des Kunstgewerbes liegt. Glücklicherweise ist das Aufleben des Kunst- gewerbes dort keine vereinzelte Erscheinung. Den Fortschritt, den 12'