120 wenden. Derselbe ist ia zufällig auch eine Jubiläumspublication, gerade hundert Jahre, nach- dem die Gemälde aus den ungünstigen Räumen in der Stallburg ihre Stätte im Belvedere gefunden hatten. Die historische Einleitung ist darnach angethan, manches Vorurtheil zu bannen und einzelne geschichtliche Facta richtig zu stellen. Sie schildert zunachst das Ent- stehen der Sammlung seit Mitte des XVl. Jahrhunderts und besonders eingehend die Ge- schichte der Kunst- und Wunderkammer Kaiser Rudolfs ll., welche in weitesten Kreisen sich größerer Berühmtheit erfreut, als der Wiener Grundstock. Wir erhalten ferner zu- verlässige Daten über die Vererbung der Leopold Wilhelmkchen wSchatzkammeru an Kaiser Leopold, über die Aufstellung der Bilder in der Stallburg 1718, die Vermehrung durch die Sammlung des Herzogs Carl von Lothringen, über die Schätzung und den An- kauf der großen Rubensbilder, die endliche Uebersiedlung in's Belvedere und den ersten Katalog von Mechel 1783, über den unglücklichen Tauschhandel mit der fiorentinischen und den etwas günstigeren mit der venezianischen Galerie, über die mannigfachen Kriegs- gefahren, welche die Kunstschatze durchzumachen hatten u. s. w. Dieser einleitende Theil des neuen Kataloges ist uns außerordentlich schatzbar, da er uns vollständig über das wechselvolle Schicksal unserer bedeutendsten Kunstsammlung orientirt. Was in der Einleitung im Allgemeinen bezüglich der gesammten Galerie gesagt ist, wird dann im beschreibenden Theil aufGrundlage zahlreicher lnventare und Actenstücke im Detail durchgeführt. Wir können unsere Anerkennung der vorliegenden Arbeit dahin zusammenfassen, dass dieselbe den meisten Anforderungen gerecht wird, welche der kunst- wissenschaftliche Congress des Jahres 1873 in Wien für die Abfassung von Galeriekatalogen aufgestellt hat. Nur der Wunsch nach Angabe der Bilderpreise. welche doch die Werth- schatzung eines Meisters in so lehrreicher Weise illustriren, und der nachweisbaren Re- staurationen blieb unerfüllt. Auch die Literaturangabe konnte vollständiger sein, jedoch ist bei der Benennung der Gemllde die Vertrautheit mit der neuen Forschung otfenkundig. Dass Director Engerth zaudert, noch nicht unwiderleglich feststehende Bezeichnungen für die Bildertaufe zu acceptiren, ist von seinem Standpunkte zu rechtfertigen. Mit ganz be- sonderer Sorgfalt sind Monogramme und Datirung der Gemälde wiedergegeben und das Verzeichniss der graphischen Reproductionen ausgearbeitet, letzteres mit Zugrundelegung von Vorarbeiten des verstorbenen Custos der Hofbibliothek, A. v. Perger. Die Künstler- biographien stammen aus der berufenen Feder des Herrn Crowe, und ist es hiebci für den Kündigen erklarlich, warum z. B. die neuen Aufstellungen Morelli's über die Jugend- zeit Raphaels und Aehnliches nicht berücksichtigt wurden. Der vorliegende Katalog ist eigentlich für die Aufstellung der Galerie in dem neuen Hofmuseum ausgearbeitet. Die Angabe des gegenwärtigen Standortes und der Nummer des Bildes macht das Buch jedoch auch für das Belvedere noch verwendbar. Director Engerth ließ es sich auch angelegen sein, für die neue Aufstellung bisher im Depot des Belvedere oder in anderen kaiserlichen Schlössern befindliche Bildet- beizuziehen, und so werden wir im neuen Museum gegen hundertzwanzig Gemälde der italienischen, französischen und spanischen Schule zum ersten Male begrüßen können. Zumeist sind es allerdings Werke aus der sogenannten italienischen Verfallszeit, aber auch achtunggebietende oder kunstgeschichtlich interessante Meister werden uns in dieser Reihe neu aufgeatellter Bil- der begegnen: Andrea da Murano, Bellini, Bonifazio, 1x Canaletto, Cima, 3 Palma Vecchio, Sebastiano del Piombo, Signorelli, 5 Tintoretto, 3 Tizian. 8 Paul Veronese und mehrere spanische Meister. Wir dürfen also schließlich unserer Freude über den neuen Katalog, der in seiner Ausführlichkeit eine wahre Grundlage zum eingehendsten Studium unserer herrlichen Galerie bilden kann, wohl vollen Ausdruck geben. Wir wünschen nur, dass es gelingen möge, bis zum Einzuge in das neue Haus auch die beiden noch ausständigen Bande über die deutsche und niederländische Schule in gleicher Weise zu Stande zu bringen. Luthmer, F.: Der Schatz des Freiherrn Carl von Rothschild. Meister- werke alter Goldschmiedekunst aus dem XlV.-XVllI. Jahrhundert. Frankfurt a. M., Heinrich Keller, 1882. Fol. Baron Rothschild hat in der That einen Schatz von Kunstgegenständcn zusammen- gebracht, welcher speciell an Gold- und Silbergegenstanden und Geschmeide einen Reich- thum aufweist, dessen sich kaum eine oder die andere odentliche Sammlung rühmen kann. Durch den Entschluss, denselben im Bilde zu reproduciren, hat er sich nicht blos Kunst- freunde und Forscher zu Danke verpflichtet, sondern besonders um die Kunstindustricllcn durch Eröffnung einer wahren Fundgrube von Erfindung für Anregung und Befruchtung ihrer Phantasie Verdienste erworben. Zur Abfassung des erklärenden Textes hat sich Luthmer erst jüngst durch seinen nGoldschmuck der Renaissance: als den richtigen Mann bewahrt. Nach der vorliegenden ersten Lieferung können wir jetzt bereits den Wunsch aussprechen, es möchten nach der Publication der Werke der Goldschmiedekunst, welche 150 Tafeln umfassen soll, auch die außerordentlich reichen Krystall- und Emailarbeiten,