386 [ich meine die Angabe der Lebensdauer mit 37 Jahren und die Stelle: quo die natus est, eo esse desiit]. Das andere Element hat er wohl aus der Tradition oder sonst woher, nur nicht aus der Grabschrift. Dieses zweite Element erblicke ich in der Angabe des Charfreitags, welche in der Grabschrift nicht enthalten ist. lch stelle mir Vasari's Vorgang so vor: er will zu den von ihm schon geschriebenen Künstlerbiographien auch eine Raphael-Biographie hinzufügen. Er hatte wenig Material, wenig an Documenten, am aller- wenigsten solche über des Künstlers Geburt, von welcher aber doch in der Biographie gesprochen werden muss. Erfahren hat er, dass Raphael an einem Charfreitag gestorben sei; er liest dazu in der Grabschrift die Jahreszahl 1520, die 37 Jahre und die Stelle: wquo die natus est, eo esse desiitr- und leitet sich daraus das Geburtsdatum ab. - Was liegt naher als anzunehmen, Vasari habe auf die Beweglichkeit des Osterfestes somit auch des Charfreitags vergessen. habe einfach von t52o 37 Jahre abge- zogen und sei in der Meinung gewesen, er komme mit dieser Rechnung gerade auf den Charfreitag von 1483 als den Geburtstag RaphaePs, ohne sich im Mindesten klar zu machen, auf welches Datum diese beiden Charfreitage fallen. Es ist mir nämlich nicht möglich gewesen, auch nur eine Stelle in Va- sari zu finden, welche den Rückschluss gestatten würde, Vasarihabe irgendwo, sei es der Osterrechnung, sei es der Chronologie überhaupt auch nur einige Aufmerksamkeit geschenkt. Man mag Vasari so hoch halten als man will, für unfehlbar wird ihn doch gewiss Niemand halten. Dass ihm zahlreiche Oberflächlichkeiten nachgewiesen sind, läßt sich nicht abstreiten, und gerade in unserem Falle kommt er mir besonders flüchtig vor. Deshalb gebe ich auch weit mehr auf Bembds Zeugniss, als auf das des Aretiners. Wie schon angedeutet, kann dergleichen Leichtsinn und ein lgno- riren der Beweglichkeit des Osterfestes einem gelehrten Cardinal nicht zugemuthet werden. Thausing hat erst vor wenigen Tagen dasselbe Thema in einem Feuilleton behandelt und die Autorität eines Bembo und seiner Grabschrift mit folgenden Worten gekennzeichnet: nPietro Bembo, als einer der größten Gelehrten der Zeit, als Prälat der römischen Kirche, war sich des Wechsels der Ostertage sicher vollständig bewusst, als er Raphael jene Grabschrift setzte. Die deutlichen und ganz ausdrücklichen Worte derselben können nur so verstanden werden, dass er den 6. April, wie als den Todestag, so auch als den Geburtstag Raphael's ansah. Er war auch über das Datum von dessen Geburtstag sicher genau unterrichtet und wäre er es nicht gewesen, so waren es sicher die Anderen, welche am Sarge des vielbetrauerten Freundes standen. Eine irrige Angabe hätte sich daher damals nicht in das Epitaph ein- schleichen können, ohne auf Widerspruch seitens der Eingeweihten zu SIOSSBILa