Es ist ein Ehrenvorrecht des Architekten, dass über Alles, was dieser geschaffen, die Geschichte ihr Gottesurtheil abgibt und für alle Zeiten" feststellt. Dieses Ehrenvorrecht sichert Heinrich v. Ferstel eine bleibende Stätte in der Geschichte der Baukunst aller Zeiten und aller Nationen. Er ist aus der Welt schmerzlos geschieden, wie ein Götterliebling in der Vollkraft künstlerischen Schaffens und Denkens. Er selbst hatte keine Ahnung davon, dass _er sich an der Schwelle der Todespforte befand, als er, umgeben von Frau und Kindern, Samstag am 14. Juli 3 Uhr Nachmittags seine Augen schloss. Sein letzter Gedanke und seine letzten Worte galten seiner Familie, der er ein treuer, liebevoller Berather war, und jener Kunst, die er so meisterlich geübt hat. Mir, dem das Glück be- schieden war, ihm seit einer Reihe von Jahren als ein treuer Freund und auch in manchen Kunstangelegenheiten als gleich- gesinnter Kampfgenosse zur Seite zu stehen, ist vielleicht mehr als irgend einem Andern das Vollgewicht der Worte klar, die er am 13.Juli auf dem Sterbebette mit männlicher Gesinnung seinem Collegen Th. l-lansen zur Feier seines sicbzigsten Geburtstages geschrieben hat. Er fand wenige Tage vor seinem Tode noch die geistige Kraft, das auszusprechen, was seine Künstlerseele erfüllte und was wie ein Vermächtniss für seine Fachgenossen und seine Schüler klingt. Diesen Brief vollinhaltlich wiederzugeben, halte ich mich im Interesse des Museums für verpflichtet. Es ist jetzt noch nichtdie Zeit, diesen Brief zu commentiren und die Lebenserfahrungen FersteYs, auf welchen dieses Schreiben fußt, detaillirt zu schildern. Die Stellung, welche sich Ferstel in der Architektur Oesterreichs er- rungen hat, verdankte er seinem künstlerischen Genius und dergroßen Auffassung der Aufgaben der Baukunst seiner Zeit. Er wurde vom Glücke nur insofern begünstigt, als er in einer Zeit lebte, in ' welcher die größten Aufgaben, welche einem Baukünstler über- haupt gestellt werden können, zur Ausführung kamen. Dass es ihm beschieden war, einen Theil dieser Aufgaben künstlerisch zu bewältigen, ist kein Glücksfall, sondern die Frucht seines Ver- dienstes, seiner großen Arbeitskraft und unermüdlichen Schallensa lust. Nicht kampflos ist ihm die Palme des Sieges im geistigen Wettkampf gereicht worden. Sie musste erkämpft und errungen werden; oft erlebte er die Freude eines Sieges, nie eine Enttäu- schung oder einen Misserfolg. Neidlos stand er seinen Genossen gegenüber. Wenn Etwas, so gibt der Brief an Hansen vollgiltiges