515 Theodor Graf 's Entdeckung antiker Gewandstoffe '). Von Georg Ebers. Vor I4. Jahren fand ich in Aegypten einen alten Schulfreund wieder. Er hieß Theodor Graf und war Vorsteher der Kairener Commandite eines großen Alcxandrinischen Handlungshauses. Schon damals sammelte der genannte l-icrr agyptischeyAlterthümer und mit besonderer Liebe griechische Münzen. Es war mir vergönnt, ihm dabei hie und da einen Wink zu ertheilen, und ich blieb mit ihm in Verbindung, auch nachdem er sich in Wien selbständig etablirt und das großartige Teppichgeschäft ins Leben gerufen hatte, dem er heute vorsteht. Durch einen langen Aufenthalt in Aegypten mit den dortigen Verhältnissen genau vertraut, der arabischen Sprache völlig mächtig und ganz der Mann, mit den Morgen- landern in freundlicher und doch Achtung gebietender Weise zu verkehren, hat er alte orientalische Teppiche zu erwerben und in Europa einzuführen Verstanden, wie man sie bis dahin in unserem Erdtheile noch niemals gesehen. Herr Professor Karabacek in Wien hat dem Vorzüglichsten unter diesen in ihrer Weise einzigen Stücken eine besondere Arbeit gewidmet, und es bei näherem Zusammensein besser als der Verfasser dieser Zeilen ver- mocht, den wissenschaftlichen Sinn des großen Kaufherrr. lebendig zu erhalten und auf bestimmte Ziele zu richten. So verband l-lerr Graf denn mit jeder Geschäftsreise in den Orient wissenschaftliche Zwecke, und Gluck, feiner Spürsinn, begeistertes und beharr- lichcs Ringen nach dem vorgesteckten Ziele haben seine großen und zum Theile nicht ungefährlichen Bemühungen mit schönen und überraschenden Resultaten gekrönt. Die reichen Papyrusschatze, welche er aus dem Faijum mit nach Hause gebracht hat, sollen hier nur beilaufig erwähnt werden. Durch den trefflicben deutschen Consul Travers und den tüchtigen ersten Directorialassistenten des Berliner Museums. Dr. L. Stern, sind eine Menge von ähnlichen Fragmenten nach Berlin gebracht worden. Sie reichen zum Theil bis in die beste Kaiserzeit (Domitian und Hadrian) zurück, und es haben sich aus ihnen schon jetzt wichtige geschichtliche Daten ermitteln lassen und merkwürdige Beitrage zur Kenntniss des Culturzustandes Aegyptens unter den Römern und Byzan- tinern ergeben. Auch nach Paris sind einige von diesen ganz unerwartet zu Tage getretenen Quellen gekommen. Ob dem Berliner Museum oder Herrn Graf der Löwenantheil der- selben zugefallen ist, mag unentschieden bleiben; jedenfalls hat er hier Ruhm und Glück mit einem Zweiten und Dritten zu theilen. Auf einem anderen Gebiete steht dagegen das, was er erworben hat, einzig da, und wenn seiner Entdeckung bald andere ähnliche folgen, wird ihm doch das Verdienst, hier die Wege gezeigt und das Thor geöffnet zu haben, von Niemandem bestritten werden. Als vor einigen Jahren die Kunde zu uns kam, es seien bei Kertsch Leichen in römischen Gewändern gefunden worden, erregte diese Nachricht gerechtes Aufsehen. Diese Gewandstncke sind nach St. Petersburg gekommen und werden dort conservirt. Was wir von ihnen Wissen, ist überraschend, aber weit staunenswerther müssen die ahn- lichen Funde genannt werden, welche die Grabungen unseres Freundes zu Tage gefordert haben. Dieselben sind besonders verdienstlich und berechtigen auch zu schonen Hoff- nungen auf zukünftige ähnliche Erwerbungen, weil sie nicht zufallig, sondern in Folge emsigen und zielbewussten Suchens gemacht worden sind. Professor Karabacek hatte in einer glücklichen Stunde dieiFrage gestellt, wo denn die nach der Pharaonenzeit dahingegangenen Generationen der Griechen und Römer im Nilthal bestattet worden seien? Dass sie nach der Zeit des Antonius nicht mehr ver- brannt und später auch nicht mehr mumisirt worden sind, stand fest. Man durfte mit Grund erwarten, sie in den Kleidern, welche sie bei Lebzeiten getragen, in dem trockenen Boden Aegyptens wieder zu Enden. Professor Karabacek machte den klugen und opfer- willigen Kaufherrn zum Vertrauten dieser Erwägungen und stellte ihm die Aufgabe, nach den Friedhöfen zu suchen, in denen die Zeitgenossen der späteren römischen und der byzantinischen Kaiser im Grabe ruhen. Herr Graf unterzog sich derselben mit der ihm eigenen Thatkraft, und ließ sich durch den Misserfolg, welcher seine ersten Versuche begleitete, keineswegs abschrecken. Ja, er dehnte seine Forschungen bis nach Syrien aus, und nachdem sich auch hier das was er suchte nicht finden wollte, ging er wiederum an den Nil, und dort gelang es ihm kurz vor Thorschluss, das heißt wenige Wochen vor dem Ausbruch der revolutionären Bewegung, welche die Schicksale Aegyptens in die Hand der Engländer spielte, ein Todtenfeld mit römischen und griechischen Leichen zu (Ei ') Die hervorragende Stellung, welche Prof. Dr. Georg Ebers einnimmt, veran- lasst uns, sein Votum über die von Theodor Graf entdeckten antiken Gawandstoffe aus der "Münchener Allgem. Zeitung-i vom 23. August 1883 unsern Lesern vollständig mit- zutheilen.