57 dass sie keine deutliche Vorstellung mehr von der Nothwendigkeit haben, das Volk zu einer arbeitenden Gesellschaft zu erziehen. Dass die Bedeu- tung der Hausindustrie und der Handwerksunterricht in der Volksschule so wenig gewürdigt wird, ist wohl zumeist dem Umstande zuzuschreiben, dass ein großer Theil unserer Nationalökonomen die ethischen und künst- lerischen Factoren, welche bei der Fürderung des Natinnalwohlstandes in Betracht kommen, zu wenig berücksichtigen. Mir scheint es ganz un- richtig, dass man das Geld und den Geldwerth als den einzigen Maßstab für die Beurtheilung des Nationalwohlstandes hinstellt. Es ist ganz richtig, dass sich das Wachsthum des Nationalwohlstandes sehr leicht übersehen lässt durch Ziffern, welche den Geldwerth repräsentiren; doch dieser ein- fache Calcul scheint mir als eine recht trostlose Auffassung des Volks- lebens. Zu dem Wohlbefinden einer Nation gehört ganz zweifellos auch das Familienglück, die Freude, welche die künstlerische Production, und sei sie noch so bescheiden, bereitet und die Befriedigung des Gemüths- lebens, die unbewusst in die Production übergeht und den Werth des Producirten erhöht. Die einfachsten Arbeiten des Mittelalters und der Renaissance würden uns keine solche Freude bereiten, wenn sie nicht dem Umstande ihre Entstehung zu verdanken hätten, dass sie aus der inneren Freude an der Arbeit hervorgegangen sind. Diese Factoren müssen wohl in Anschlag gebracht werden, und zwar in viel höherem Grade, als die meisten Nationalökonomen glauben, denn sie tragen zur Steigerung des Nationalwohlstandes in bedeutendem Maße bei. Es müssen die Menschen heutigen Tages nicht blos reicher, sondern auch arbeitsamer und zufrie- dener werden. Wenn das Streben der Menschen nur immer und immer dahin geleitet wird, Geld zu verdienen, so werden alle besseren Gefühle und Stimmungen der Seele unterdrückt und ein Unbehagen in die arbei- tende Gesellschaft hineingeworfen, was der Arbeit selbst und den Arbeits- producten in keiner Weise zu Statten kommt. Eine Gesellschaft, die von der Geldgier beherrscht ist, ist unzufrieden, und dies ist auch die Signatur unserer modernen Zeit. Insbesondere durch die bürgerliche und arbeitende Gesellschaft geht dieser Zug von Unzufriedenheit und Missbehagen, der auch zersetzend auf den Staat einwirkt. Aber unsere Schule, losgelöst von der Familie, nicht im Zusammenhange stehend mit der Arbeitsthätig- keit im Hause, erzieht eine Jugend, die an der Arbeit selbst keinen Ge- fallen findet. Darum legen wir auf die Hausindustrie einen so großen Werth, weil sie diese sittlichen Güter und die künstlerische Bildung des Volkes in weit höherem Grade zu vermehren im Stande ist, als dies bei einer Gesellschaft erwartet werden kann, welche keine Hausindustrie hat und welche nicht bereits in der Schule daran gewöhnt wurde, die Arbeits- thätigkeit zu pflegen.