sorglos vorgegangen. Ist es nicht ein trauriger Anblick, zu sehen, wie viel Fleiß und Mühe, wie viel Geschicklichkeit und Zeit, wie viel treffliches Material und gutes Geld manchmal aufgewendet wird, um Entwürfe zur Ausführung zu bringen, bei welchen der Dilettantismus an allen Ecken und Enden zum Vorschein kommt? Es fehlt unseren Meistern keineswegs an Routine, und der Laie dürfte selten mehr als ein unbestimmtes Un- behagen beim Anblick dieser Möbel empfinden. Der Fachmann dagegen sieht, wie der Tischler ursprünglich gute aber ältere Vorbilder benützt und, um etwas Neues zu schaffen, über Veränderungen, Weglassungen und Zuthaten ganz nach Belieben verfügt hat. Es gehört aber doch etwas mehr dazu als handwerkliche Routine, wenn bei solchem Vorgehen der ursprüngliche Entwurf nicht ganz seines künstlerischen Werthes beraubt werden soll. lst es ja selbst für Künstler in der Regel leichter, eine Zeichnung neu zu entwerfen, als an einem fertigen Entwurf wesentliche Veränderungen vorzunehmen, die keine Verschlechterung bedeuten. Ein anderer Vorgang, der ebenfalls häufig beliebt wird, ist wo möglich noch schlimmer. Eine Menge von jungen Leuten ohne Kenntnisse und Ta- lent, die an irgend einer Realschule, Akademie oder technischen Hochschule einige Jahre zugebracht haben, zeichnen in freien Stunden wOriginal- Entwürfeu und wandern damit von Werkstätte zu Werkstätte bis sie den Meister finden, der gegen klägliche Entlohnung diese Bettelwaare an sich nimmt, um sie gelegentlich als Vorlage zu benützen. - Wenn unter diesen Umständen nicht in den nächsten Jahren schon ein deutlich erkennbarer Rückschritt constatirt werden soll, so muss mit allen Mitteln darauf hin- gewirkt werden, dass die Wiener Tischler nach guten Entwürfen arbeiten, und sich dieselben nur von dazu berufenen Künstlern verschaffen. Dagegen müsste bei zu weit gehendem Selbstvertrauen der Tischler nach und nach eine höchst nachtheilige Verwilderung in künstlerischer Beziehung Platz greifen. Gegenwärtig ist ein solcher Gang der Dinge nur in den ersten Symptomen erkennbar, denn die überwiegende Mehrzahl unserer Tischler hat sich eine manuelle Geschicklichkeit erworben, vermöge deren sie noch auf lange hin ihren Arbeiten gewisse bestechende Eigenthümlichkeiten zu verleihen im Stande sein wird, und das gesammte Handwerk hat sich mehr als irgend eines in die modernen Anforderungen eingelebt und ein- gearbeitet. Am aulTallendsten gibt sich dies zu erkennen, wenn wir die Ausstellungs-Kataloge der letzten zehn Jahre mit einander vergleichen. Da finden wir von Jahr zu Jahr neue Namen, bis dahin unbekannte Firmen, und es war nicht das Schlechteste, was sie brachten. lm Gegentheil, es fanden sich darunter manchmal höchst gelungene Arbeiten. Freilich kommen auch Missgrilfe in der Wahl des Entwurfes gerade bei diesen Leuten nicht selten vor. Die Sucht Neues, noch nie Dagewesenes zu bringen ist nirgends größer als bei Jenen, die in entlegenen Bezirken Wiens eine bescheidene und unbeachtete Existenz führen, und mancher