Zu dieser Zerrissenheit und Trostlosigkeit auf dem ganzen Gebiete dessen, was wir heute Kunstindustrie oder Kunstgewerbe nennen - damals kannte man die Ausdrücke noch nicht - kam nun noch ein anderer höchst bedeutsamer Umstand hinzu, der diesen Zustand per- manent zu machen und jede Hoffnung auf Besserung abzuschneiden schien. Damals, in der ersten Hälfte unseres Jahrhundertes, war es ja das große Zeitalter der Erfindungen, der außerordentlichen Fortschritte in der Technik, das Zeitalter der Dampfschiffe, der Eisenbahnen, der Tele- graphen. Die Maschine hatte die Herrschaft, die Maschine sollte alle Handarbeit ersetzen, auch die in der Industrie. Während der Künstler die Freiheit der Hand selbst mit ihren Unregelmäßigkeiten und Zufälligkeiten liebt und schätzt, sollte jetzt nur gelten, was die Maschine tadellos, eben, glatt, gerade, ein Stück genau wie das andere geschaffen hatte. Die Wissenschaft der Chemie kam auch zu Hülfe und trachtete z. B. dahin, dem Porzellan seinen bläulichen oder milchfarbenen warmen Ton zu nehmen und ihm ein farb- und tonloses Weiß zu geben. Hinter diesem Geiste verlor alles dasjenige an Werth, was die Hand als solche leistete; man verlor Geschmack und Interesse daran und ver- lernte es zu schätzen. Da aber, als die künstlerische Noth sozusagen am größten war, als in der Industrie das Niveau der Kunst den tiefsten Stand erreichte, da kam der Anstoß zur Besserung eben von der Seite, von wo die Erniedrigung ausgegangen war. Dampfschiffe und Eisen- bahnen, welche vor Allem die Veranlassung gewesen, das Interesse der Welt der technischen und maschinellen Seite zuzukehren und von der künstlerischen abzulenken, sie waren es auch, welche, einen ungeahnten Weltverkehr und Welttransport vermittelnd, den Gedanken der großen Universalausstellungen entstehen ließen und seine Durchführung ermög- lichten. Ohne sie hätte es keine Londoner Weltausstellung von 185i gegeben und ohne diese Ausstellung wäre der Anstoß, welcher nun eine reformatorische Bewegung in dem weiten Reiche des Geschmackes her- vorrief, ungeschehen geblieben. Im Crystallpalast zu London lagen die Dinge der Welt zum ersten Male so ziemlich bei einander. Man konnte vergleichen, rnanikonnte Ent- deckungen machen und machte auch Entdeckungen. Die eine Entdeckung war die, dass Frankreich allen anderen Nationen des Continents, allen Staaten der modernen Civilisation in den Dingen des Geschmacks weit vorausging, die zweite aber, dass die französische Kunstindustrie, so viel sie relativ auch besser sein mochte, doch keineswegs auf absolut rich- tigen Wegen ging, dass man es folglich besser und richtiger machen und damit Frankreich übertreffen könne. Daneben ging eine dritte Em- deckung, die Entdeckung des Orients oder der orientalischen Kunst, in welcher man - auf dem beschränkten Gebiet freilich der farbigen Flächendecoration - alles das in vollkommener und schöner Weise fand, was man an dem gesammten europäischen Geschmack auszusetzen hatte.