225 Weit bis in das 17. Jahrhundert hinein lassen sich in Europa die letzten Ausläufer der Maureske verfolgen. Indem allmälig ihre Einzeln- formen bereichert und vermehrt wurden, stellte sich auch das Bedürfniss ein, von einer bloßen Vervielfältigung ihrer Grunclmotive abzusehen, und einem lediglich gehäuften Schnörkelwerk auszuweichen. Allmälig machte sich das Hervortreten entschiedener Anklänge an natürliche Pflanzenformen bemerkbar, und so kam es, dass die Schöpfungen der späteren rnauresken Ornannentik, obgleich ohne äußere Beeinflussung, sich weiterbildend in mancher Hinsicht "ihren viel älteren orientalischen Urbildern näher ge- bracht wurden, und so die maureske Kunstweise in der That, wie ich schon zu erwähnen die Gelegenheit hatte, eine retrograde Bewegung ein- schlug, ohne deshalb an künstlerischer Vollendung einzubüßen. Wer von den Ornamenten des 17. Jahrhundertes mit dem nur mehr leise sich bemerkbar machenden Spuren der Maureske ein Beispiel besonderer Schön- heit vergegenwärtigen will, der findet ein solches an dem kostbar gestickten Messornate, angeblich in Salzburg verfertigt, welches im Jahre 1638 von Bürgern zu Linz der dortigen Stadtpfarrkirche zum Geschenke gemacht _ wurde. Trotz der Lebenskraft, welche der Maureske innewohnte und sie fast bis zu ihrem letzten Aufflackern in ungeschwächter Schöne erstrahlen ließ, ging sie doch unter, als eine neue Ausdrucksweise der Farben- und Formensprache die Oberhand gewann: die nun zur Herrschaft gelangende Barocke. Von hier ab gab es keine Maureske mehr. Der neuen Zeit war es vorbehalten, wieder auf die orientalisirenden Zierformen des 16. Jahrhundertes zurückzukommen. Von der schrittweisen Weiterbildung derselben, von ihrer einfachsten Gestaltung ausgehend, dürfen wir mit Recht manch' Gutes hoffen. In ihr ist einer jener Anknüpfungspunkte gefunden, von welchem aus es gelingen mag, die ununterbrochene traditionelle Entwickelung undVervollk0mmnung der gestaltenden Kunst auf's Neue zu sichern, und jenen Eklekticismus im schlimmen Sinne, der nur ein Tappen und ein Irren bedeutet, unmöglich zu machen. Mögen sich dann die Ausdrucksformen der Kunst auch im Laufe künftiger Jahrhunderte ändern wie sie wollen, sie werden nur den Ausdruck dessen bilden, was durch die Gesammtsumme der Erfahrungen vom An- beginne ihrer Schöpfung her als giltig sich erwiesen hat; der Ausdruck dessen, was wir als Schönheitsgesetz zu jeder Zeit ahnen; dessen Bedingungen wir nur schrittweise der Erkenntniss näher bringen können; dessen erste Gründe stets vollkommener zu erforschen, wohl eine der besten Aufgaben unserer Zukunft sein wird.