249 Der altchristliche Gräberschmuck, ein Beitrag zur christlichen Archäologie. Von Adolf Hase nclever. Braunschweig, C. A. Schwetschke 8c Sohn, 1886. 8". 264 S. Die vorliegende Untersuchung, als Jubiläumsgabe für die theologische Facultät in Heidelberg veröffentlicht, ergibt sich als eine größtentheils kunstgeschichtliche Arbeit, welche die eminente Bedeutung der antiken Kunst für die Entwickelung der altchristlichen Decorationsweise klar zu machen bemüht ist. Hasenclevefs Hauptverdienst scheint mir darin zu liegen, dass er den Erscheinungen der ersten Jahrhunderte nicht. wie sonst vielfach geschehen ist, Deutungen iiufdrängt, die sich erst aus der voll entwickelten christlichen Lehre ergeben, wie sie nach der Entwickelung mehrerer Jahrhunderte da- gestanden hat, sondern dass er stets zwangslose Erklärungen gibt, indem er an das anknüpft, was die ersten Christen in Rom täglich von antiker Cultur, insbesondere von solcher Kunst vor Augen hatten, an das, was ihnen sonst vom antiken Leben her geläufig sein musste. Denn sicherlich nicht haben die ersten Christen ihre Tage und Nächte nur betend in den Katakomben zugebracht. Sie haben doch damals ebensowenig als wir heute sich dem allgewaltigen Einflusse ihrer Zeit entziehen können. Römisch-antikes Leben wogte um sie her und trug sie mit sich fort, ob sie nun Viclerlei an jenem Leben verabscheuen mochten oder nicht. Was sie von Decorationsmotiven sahen, etwa an antiken Sarkophagen oder in Grabkammern, darein haben sie sich gewiss viel Weniger vertieft, als es die heutigen Archäologen gethan haben. Die ersten Christen waren wohl keine Kunstgelehrten und haben den handwerksmä ig hergestellten antiken Särgen und Wandmalereien keine profunde Hermeneutik gewidmet. Wie wenig Verstfindniss zeigt nicht gegenwärtig der Ungebildete für decorative Werke der bildenden Kunst! Wie Jeder weiß, der kunstgeschichtliclien Unterricht genossen und ertheilt hat, muss sogar dem gebildeten Geiste das Sehen in dem Sinne erst gelehrt werden, als es zu einem Fest- halten und einer Deutung von kleinen Merkmalen führen soll. Der Blick jener ältesten Christen glitt eben über tausend althergebrachte, gewohnte Gestalten hinweg, ohne besondere Reflexion. Und die Handwerker wiederholten die Gestalten, die ihnen geläufig waren und deren Bedeutung sie nicht kannten, ebenso gut für christliche wie für heid- nische Gräber. Hasenclever steht durchaus auf dem eben skizzirten Standpunkte, den er in einer längeren Einleitung dem Leser klar macht. Das Beweismaterial, das er in der eigentlichen Untersuchung verwendet. ist methodisch beigebracht. Sehr richtig beginnt er damit, dem Leser in Erinnerung zu bringen, was für ein Sepulcralwesen die Christen der ersten Jahrhunderte von früher her vorgefunden haben. Die Bestattung bei den Juden wird im ersten Capitel gewürdigt. Verdienstvoll sind die folgenden Abschnitte über den Begräbnisscult bei den Griechen und Römern. Hasenclever gibt uns eine Uebersicht über die Decorationselemente der antiken Grabstätten und weist dann bei Betrachtung des altchristlichen Sepulcralwesens darauf hin, dass viele Motive ganz ohne Umstände von der heidnischen Kunstübung her beibehalten sind, dass also eine Deutung jener Motive mit Unterlegung christlicher Ge- danken sich schwer halten lässt. Sehr sorgsam ist auch der Vergleich der Gebräuche während und nach den Begräbnissen bei den heidnischen Römern und bei den Christen ausgearbeitet. Manche Analogien sind in die Augen springend. Und nun erst die In- schriften. Dieselben Formen und Formeln, bei Christen wie Heiden. Etwas zu wenig Gewicht, so scheint mir, legt Hasenclever darauf, dass die Beerdigung der Leichen von den Juden herübergenommen ist. Vielleicht hat er nur auf die Ausführung dieses Punktes vergessen. Denn sein valtchristlicher Gräberschmuckc ist, wenngleich sorgfältig vorbereitet, doch anscheinend ziemlich rasch hergestellt, wie das zahlreiche Druckfehler und manche andere kleine Nachlässigkeiten verrathen. (So möchte z. B. die Ueberschrift des dritten Capitels: inDie Ergänzung der literarischen und monumentalen Quellen-t zu verbessern sein, da jenes Capitel doch von der gegenseitigen Ergänzung der Quellen handelt und nicht etwa neu erschlossene Quellen den bisher bekannten beifügt.) Verhältnissmäßig lange verweilt der Autor begreiflicherweise bei der künst- lerischen Ausschtnückung der Katakomben. Die einzelnen Gestalten, die bisher symbolisch gedeutet worden sind, wie Adler, Fisch, Taube, Pfau, Delphin, Ochse, Hase, Pferd, Hahn. Hirsch, und Darstellungen von Gegenständen, wie Anker. Wagen und Fässer._ Schiffe u. s. w., werden der Reihe nach kritisch durchgenommen. Zumeist wird dabei die ältere Deutung gründlich erschüttert. Nur ausnahmsweise lässt Hasenclever eine symbolische Bedeutung gelten (so für den Anker), wogegen die übrigen aufgezählten Darstellungen höchst wahrscheinlich, wie früher im heidnischen Gräberschmucke, nichts Anderes bedeuten als Beziehungen auf den Stand oder auf den Namen des Verstorbenen. Victor Schultze hat vor einigen Jahren schon ähnliche Behauptungen aufgestellt. Hasenclever klärt die Begriffe mehr dadurch, dass er nicht überall und um jeden Preis erklären will, sondern dass er auf die Wurzeln jener Darstellungen hinweist, aus denen sie am meisten naturgemäß bervorwachsen konnten, Dabei fehlt es nicht an Ausfällen auf die