413 Herstellung für den Markt, womöglich auf Vorrath, keineswegs nur für den eigenen Gebrauch, selbst dann nicht, wenn man dabei Einiges für den Verkauf an Andere erübrigen würde. ln diesem Sinne kann - um bei den vorhin gewählten Beispielen zu bleiben - weder die Thätigkeit der siebenbürgisch-sächsischen Hausfrau, noch diejenige der wallachischen Bäuerin als Hausindustrie bezeichnet werden, wohl aber diejenige des Vorarlberger Stickers. Selbst innerhalb dieses engeren Begriffs der Haus- industrie unterscheidet man noch zwei Phasen: eine primäre , die neben sich immerhin noch die Beschäftigung mit der Landwirthschaft verträgt, und eine secundäre, die ihren Träger ausschließlich in Anspruch nimmt, so dass sie von der Fabriksarbeit nur durch das Merkmal der Arbeit im eigenen oder Familienhause unterschieden wird: also eine decentralisirte Fabriksarbeit. Als was stellt sich nun die Thätigkeit der sächsischen und walla- chischen Bäuerinnen in Siebenbürgen dar? Volkswirthschaftlich genommen nimmt diese unter den menschlichen Erwerbsformen die unterste Stufe ein: die Statistiker pßegen sie als Hausfleiß zu bezeichnen. ln der That dient sie nur dazu, um die Stunden auszufüllen, die man sonst müßig gehen müsste. Die eigentliche Arbeitszeit dafür ist daher der Winter, da die Feldarbeit ruht und auch das Schaffen in Wohnhaus, Stall und Vorrathskammer geringeren Zeitaufwand erfordert. Auch der überwiegende Antheil der weiblichen Bevölkerung an dieser Art des Er- werbes ist als charakteristisch hervorzuheben, während in der vorarl- bergischen Rheinthalebene, wo man größtentheils bereits zur secundären Stufe der l-Iausindustrie fortgeschritten ist, das männliche Element den größeren Antheil daran hat. Diesem Hausfleiße gegenüber erscheint aber die Hausindustrie, wie wir sie vorhin definirt haben, als eine höhere Stufe der wirthschaftlichen Entwickelung, und dadurch gewinnen wir schon einen Anhaltspunkt für die historische Betrachtung und Beurthei- lung jener Dinge, die der gemeine Sprachgebrauch unter dem Sammel- namen einer textilen Hausindustrie zusammenfasst. Versuchen wir nun die Vertheilung der genannten Phasen textiler häuslicher Erwerbsthätigkeit innerhalb unserer Monarchie räumlich fest- zustellen. Um mit der diesseitigen Reichshälfte zu beginnen, lässt sich vor Allem sagen, dass unter der deutschen Bevölkerung der Hausfleiß nirgends mehr eine solche Rolle spielt, dass er Anspruch auf eine volks- wirthschaftliche Bedeutung erheben könnte. Der textile HausfleiB wird in unseren deutschen Gegenden heutzutage nur durch die Nadelarbeiten unserer Damen repräsentirt. Wie grundverschieden diese Art der Pro- duction von derjenigen ist, die seinerzeit bei uns diese Stelle einnahm, und beispielsweise in Siebenbürgen heute noch in Uebung steht, beweist schon die landläufige Bezeichnung dieser Stickerinnen in Mußestunden als wDilettantinnenu zum Unterschiede von den Stickerinnen von Beruf, während doch in früheren Zeiten auch bei uns jede Frau sich zum