Königin Elisabeth von England erst 1561, also volle 14. Jahre später, die ersten seidenen Strümpfe trugen. ln einer Zeit, da Erfindungen so lange brauchten, um ihren Weg zu machen, ahnte man freilich noch nichts von jener lästigen und ver- derblichen Ueberproduction unserer Tage, welche über jedes neue Muster herfällt, um es durch endlose Wiederholung umzubringen, d. h. bis zum Ekel und Ueberdruss zu vervielfältigen. Es gibt aber kein besseres Mittel, einem Kunstwerk allen Reiz zu rauben, als eben dieses zum Ueberdruss Wiederholen, und wir wissen, dass bessere Kunsthandwerker sich deshalb förmlich scheuen, mit ihren Erfindungen in die Oetfentlichkeit zu treten, aus Furcht, dass ihre Neue- rungen in kürzester Zeit durch Ueberproduction dem Publicum und wohl auch ihnen selbst verleidet werden. Mehr als einmal geschah es mir, dass ich allerlei artige Kleinigkeiten hinter Schloss und Riegel in den Magazin- kästen mir befreundeter Kunstgewerbetreibenden fand und auf meine verwunderte Frage, warum denn diese kleinen Schätze nicht in's Publicum gelangten, wo sie gewiss Anklang fänden, eine Antwort im obigen Sinne erhielt. Dagegen gibt es leider kein Mittel; denn an einen Patentschutz in kunstgewerblichen Dingen ist nicht ernstlich zu denken, auch sind ja derlei Sachen meist zu unbedeutend und geringwerthig, um das lang- wierige Verfahren einer Patenterlangung zu ertragen. Ein honetter Ge- werbestand allein kann derlei hungrigen Missbrauch mit fremden Gedanken von sich weisen und mit der Zeit unterdrücken. Für uns sind solche Erscheinungen aber von Bedeutung, denn in ihnen liegt eine der Hauptursachen des ungünstigen Standes so manches heutigen Kunstzweiges im Vergleiche zu früheren Jahrhunderten. Es ist ja natürlich, dass die Erfindungskraft erlahmen muss, wenn sie gezwungen ist, fortgesetzt Neues zu erzeugen, und dasjenige, was sie heute erdachte, schon morgen vielleicht verbrauchte, d. h. aus der Mode gekommene, weil von der Mode verschlungene Waare ist. Wenn solcherart also der causale Zusammenhang zwischen Mode und Fabriksproduction (welche sich hierbei als Ueberproduction im schlimmsten Sinne zeigt) eclatant in die Augen springt, so bleibt uns nunmehr blos die dritte Wurzel des heutigen Kunstverderbnisses, die Imitation, zu erörtern übrig. Auch sie ist eine Folge des Fabriksbetriebes, denn es wird Niemandem einfallen, mit der Hand zu imitiren, 'weil ja das Original in diesem Falle nicht mehr Arbeit verursacht, als die Copie. Wer aber würde auf das Erzeugniss in unechtem, werthlosem Stoff die gleiche Mühe ver- wenden, als auf das Erzeugniss in echtem , werthvollem Material? Dagegen aber leistet die billige fabriksrnäßige Vervielfältigung der Imi- tation naturgemäß Vorschub, denn die relative Werthlosigkeit des Stoffes steht hier im Einklang mit dem geringen Werthe der Arbeit. Als eines der ärgsten Beispiele der Imitation können uns die mo- dernen Celluloid-Artikel gelten. Anfänglich nicht ohne originellen Reiz,