315 Der Hessische Willkomm. Ein Prachtpocal von 157i im Schloss zu Dessau. Beitrag zur Kunst- und Sittengeschichte des 16. Jahrhunderts von Dr. C. Alhard v. Drach. Marburg, Elwerfsche Verlagsbuchhandlung, 1890. h.- o. VI, 32 S. Der um die Kunstgeschichte Hessens mannigfach verdiente Verfasser fand vor einigen Jahren in den Verzeichnissen des hessischen Silberschatzes Mittheilungen über einen jetzt verschollenen Willkomm, die schon durch die auf die Entstehung des Stückes sich beziehende Inschrift Interesse erregen mussten. Im weiteren Verlaufe seiner Studien ergab sich das Vorhandensein eines zweiten Exemplares des Pocals im Schlosse zu Dessau und auch die sichere Deutung jener Inschrift. Sie besagt nämlich: Fürst Joachim Ernst von Anhalt habe von Landgraf Wilhelm zu Hessen das Pruniren gelernt und den Willkomm als Lehrgeld bezahlt. Das Wort Pruniren nahm der hessische Geschichts- schreiber Rommel für Bruniren, und berichtete, dass der eine Fürst dem andern Unter- richt in der Kunst. Vergoldungen zu poliren, ertheilt habe. Diese sonderbare Erzählung wird durch die eine Halfte des Figurenfrieses an der Cuppa widerlegt, die drei Herren beim Kartenspiele zeigt, und in der That hat, wie Prof. v. Drach urkundlich beweist, der Goldschmied das ihm vorgeschriebene Wort Primiren falsch gelesen; Primircn ist ein Kartenspiel, über dessen Regeln hatte sich zwischen den beiden verschwkgerten Fürsten ein Streit entspannen, der einem Collegium von Sachverständigen am kaiser- lichen Hofe zur Entscheidung vorgelegt wurde; die Berathung dieser Herren in Prag - namhaft gemacht sind in den Acten ein Herr von Pernstein, wohl der Kanzler von Böhmen, Wilhelm Freih. v. P., 1- 1582, ein Herr von Kinsky, wohl der Burggraf von Karlstein, Johannes K., und ein Herr von Ursperg (Auersperg) - ist auf der anderen Seite des Frieses dargestellt. Der Herzog von Anhalt, als verlierender Theil, hatte tausend Thaler zu zahlen, der Gewinner aber ließ von Wolf Mayr (Meier) in Nürnberg die beiden gleichen Pocale anfertigen und verehrte ein Exemplar seinem Schwager. Das zweite wird 1307 bei der französischen Invasion geraubt und eingeschmolzen worden sein. Der Dessauer Pocal ist bei Gelegenheit der Ausstellungen in Frankfurt 1875, in München 1876 publicirt worden, doch sind die beigegebenen Beschreibungen so wenig genau, dass schon deshalb, abgesehen von den culturgeschichtlichen Beziehungen, die nun klargestellt sind, die neuerliche Publication des bedeutenden Werkes gerechtfertigt erscheint. AI: eigentlicher Verfertiger wird durch die Meisterrnarke Elias Lencker kenntlich gemacht, den Entwurf für den Fries schreibt Verfasser Jost Amtnan zu, an den er allerdings erinnert. Bedeutend ist das Werk auch schon durch seine Großen- verhiltnisse: der Pocal misst jetzt, wo die Standarte in der Hand des Gewappneten über der den Deckel beltrönenden Vase fehlt, noch 0'532 Meter, und die Schale fasst an 5 Liter. Dem Aufbau nach gehört der Pocal zu der Gruppe der gewöhnlich mit dern Namen .lan1nitzer's in Verbindung gebrachten, mit reicher horizontaler Gliederung und starker Einziehung der Schale zwischen Wulsten. Im Anhange der mit einer Lichtdruck- abbildung des Pocales, Abwickelung des Frieses, Ansicht des Fruchtstraußes im lnnern des Deckels und mehreren zur Geschichte des Stückes in Beziehung stehenden Illustrationen geschmückten Schrift ist eine Uebersicht der bekannteren Pocale dieser Gattung gegeben. B. I Unter den: Titel Neuheiten in Posamenterien für Möbel und Deco- rarion, herausgegeben von Philipp Schwarz, Posamenteriewaaren-Fabrikant in Wien, sind als erstes Heft der ersten Serie zehn Blätter chromolithographischer Abbildungen von Quasten und Fransen erschienen (Preis 8. to), die eine erfolgreiche Benützung älterer Muster verrathen. Mit Rücksicht auf den Umstand, dass dieses eminente Hilfs- mittel der Decorationskunst bisher von der kunstgewerblichen Refcn-mbewegung wenig berücksichtigt worden ist, darf man dem Unternehmen gedeihlichen Fortgang wünschen.