370 bunten Völkertafel, aus deren Iris erst durch einen langen Process im Verlaufe der Geschichte, d. h. gleichsam vor unseren Augen, das reine weiße Licht der italienischen Nation und der italienischen Cultur hervor- gegangen ist. Noch heute blicken in der Rede des Mundes, wie im Schlag des Herzens und der Arbeit des Kopfes die alten Starnmesunterschiede durch. Wenn wir das Land von den Alpen bis zum Sund, der Sicilien von Afrika trennt, bereisen, so finden wir doch überall eine Menschen- gruppe, welche nicht nur politisch, sondern auch culturell zur Einheit verschmolzen ist. In der Urzeit war dies ganz anders. Es sind arische, nichtarische und sogar in ihrer Herkunft noch völlig räthselhafte Elemente an der Blutmischung des italischen Volkes betheiligt. Vorindogermanische Urstämme Europa's, wie die Ligurer, aus- gesprochene Nordvölker, wie die Kelten und Germanen, alterthümliche ungriechische Balkanstämme wie die lllyrier, Einwanderer dunkler Ab- stammung wie die Räter und Etrusker, dann ein Zweig des gräco- italischen Urvolkes, die Umhrer und ihre Verwandten, und noch manches andere Glied bilden den ethnologischen Aufbau der Halbinselbevölkerung. Wir sind in der Lage, alle diese-Elemente, theils sicher, theils hypo- thetisch, mit den Alterthümern des Landes zu verknüpfen, also die sprachlichen und schriftlichen Zeugnisse in den Dialekten der heutigen Bewohner und in den Nachrichten alter Historiker und Geographen mit den in reichster Fülle vorhandenen archäologischen Zeugnissen zu con- frontiren und dadurch einen tieferen Einblick in das Bildungsprincip dieser geschichtlichen Größe zu gewinnen. v Von den sprachlichen und schriftlichen Denkmälern soll hier nicht mehr die Rede sein, als unumgänglich nothwendig ist; wir haben uns ja mit den industriellen und künstlerischen Aeußerungen am Anfang jenes Processes zu beschäftigen. Allein es ist noch eine kurze Vorbemerkung zu machen über die verschiedene Dauer der Urzeit in den einzelnen Landestheilen. Die Verschiedenheit der Völker Italiens und die ihr zum Theil ent- sprechende Verschiedenheit der Länderräume, in welche Italien zerfällt, bringt es mit sich, dass wir die Betrachtung unseres Gegenstandes nicht mit einer einfachen absoluten und für ganz ltalien giltigen zeitlichen Grenzbestimmung einleiten können. Wir müssen neben dem absolut Alten auch das relativ Alte, d. h. das Alterthümliche berücksichtigen, wenn wir allen constituirenden Völkern und Landestheilen gerecht werden wollen. Das muss bei der Betrachtung prähistorischer Dinge in einem größeren Gebiet immer so gehalten werden. Das prähistorische Cultur- element, das "antichissimou, wie es in Italien neben dem vanticow häufig genannt wird, erscheint nicht überall gleichzeitig und geht nicht überall gleichzeitig zu Ende. Fassen wir einen bestimmten Zeitpunkt in's Auge, etwa das Jahr 550 vor dem Beginn unserer Zeitrechnung. Damals blühte in Unteritalien und Sizilien ein Kranz von griechischen Städten; in