176 [ Ueber Zeichenfertigkeit und ihre Anwendung in der Praxis. Von Hans Mach t. "Il. (Schluss) Mit Proportionen und absoluten Maßen, deren Werthe erfahrungs- gemäß festgestellt werden, hat übrigens der kunstgewerbliche Zeichner fortwährend zu thun. Unsere Sitz- und sonstigen Möbel, unser Tafel- geschirr, das Speisegeräthe und alle zur Einrichtung des Hauses gehörigen kleinen Gegenstände können, wenn sie überhaupt brauchbar sein sollen, nur bei Berücksichtigung gewisser Maximal- uud Minimaldimensionen an- gefertigt werden, deren Grenzen oft nahe genug bei einander liegen. Hier werden von unerfahrenen, wenn auch sonst sehr geübten Zeichnern mitunter ganz unglaubliche Verirrungen begangen. Viele fühlen auch ihre Phantasie gefesselt, wenn sie auf eine Reihe bestimmter Zahlen Rücksicht nehmen sollen. Und doch kann ja ohne vielfältige Rücksichtnahme aufZweck und Bestimmung der zu schaßenden Gegenstände nichts Vollkommenes hervorgebracht werden. Beruf, Lebensstellung, persönliche Eigenschaften und Lieblings- neigungen eines Besitzenden werden unter allen Umständen in seiner unbelebten Umgebung zum Ausdruck kommen. Oft ist der Charakter des Gesammtbildes dieser Umgebung das Resultat eines länger oder kürzer sich hinziehenden Processes der Auswahl und Sichtung. Oft aber hat die Kunst, die echte, psychologisch feinfühlende Kunst auf kurzem Wege die richtige Wahl getroffen. Diese Kunst äußert sich hier gar mächtig auch in scheinbar kleinen Dingen. Wie sehr wirkt sie nicht schon allein durch die Farbenanordnung! Combinationen von Farben, formlos und ohne bestimmten Zusammenhang auf eine Fläche gebracht, bewirken schon Stimmung. Sichtbare Accorde möchte man das nennen, was sie uns weisen. Doch tritt nun auch noch die ausdrucksvolle Sprache der Formenwelt hinzu, welche der Ornamentik zu Gebote steht, so erwachsen hiedurch dem Künstler die Mittel, über psychische Stim- mungen zu gebieten, diese Stimmungen im Beschauer hervorzurufen, indem er seinen Gebilden beredten Ausdruck verleiht. Die Farbe im Vereine mit den Formen des Ornamentes verfügt über eine gar deutliche und eindringliche Sprache. Beide überzeugen den Beschauer von dem durch sie zum Ausdruck gebrachten geistigen Ge- halte, indem sie unmittelbar ihre Einwirkung auf das Gemüth fühlen lassen. Durch diese Einwirkung werden Vorstellungen contrastirendster Art versinnlicht: Schwerfällig sich zeigender Prunk; frohe ruhige Stimmung; übersprudelnde Lust; derbes Behagen; übervmüthige, rasch bewegliche Laune; trockener, empfin-