im Uebrigen aber verdientermallen seine Anerkennung zollt. Das bisher als Augsburger
oder Nürnberger Arbeit angesprochene preußische Reichsschwert (von t;4,o[4l) ist ein
Werk des von Ulm nach Königsberg übersiedelten und dort sesshaften Meisters Jobst
Freudner (S. 3x), und die meisten Einbände der Silberbande rühren von Konigsberger
Goldschmieden her: von Hieronymus Kosler, von Gebhard Lentz (welcher dem
ersteren nsowohl in der Solidität der Technik als auch in ornatnentaler Hinsicht über-
legen istu) und von Paul Hofmann; es hat den Anschein. als ob diese Drei gemeinsam
gearbeitet hatten. Außerdem waren an der Herstellung der Silberbibliothek drei unbe-
kannte Königsbergcr und ein Mindener oder Hannoveraner, endlich aber, und zwar in
vorzüglicher Weise, zwei Nürnberger Meister betheiligt.
Der eine derselben, Cornelius Vorwend, war in den Jahren tggz-tggg in Königs-
berg anwesend und lieferte wahrend dieser Zeit den Einband zur Bibel der Herzogin
(den reichsten und einen der schönsten Einbände); die Ciselirung, Gravirung und
Aetzung der Bibel glaubt L. dem Jakob Bink zuweisen zu sollen, der sich von 1543 bis
1543 in Königsberg aufhielt und im Jahre 1551, wie bekannt, olfen in die Dienste des
Herzogs trat. Von dem zweiten Nürnberger, einem Mitglied der Goldschrniedefamilie
Ritter, ohne Zweifel Christoph Ritter (Ritterlein) dem Aelt. (Meister 1547, 1- 1587), stammt
nachweislich der Band, welcher die Evangelienharmonie des A. Osiander enthielt und
sich im Besitze des Herzogs befand. Bei den nahen Beziehungen Albrecht's zu Osiander
(er nannte denselben seinen geistlichen Vater) ist es denkbar, dass das Buch als eine
i-Verehrung- nach Königsberg kam; aber mit Nürnberg unterhielt Albrecht noch von
seiner fränkischen Heimat her alte Beziehungen, und bei dem immerhin beschrankten
Können der Konigsberger Goldschmiede mochte er sich bei Bestellung einer so außer-
gewöhnlichen Arbeit auf Nürnberg angewiesen sehen.
Der Einlluss Nürnbergs auf die nordische Goldschmiedekunst erhellt am deut-
lichsten aus der häufigen Verwendung jener Plaquetten, deren Urheber Lange nicht
kennt. den er einmal in Nürnberg (er erinnert an Peter Flötner und seine nach Neu-
dorfer gerade auf diesem Gebiet entwickelte Thatigkeit), dann aber wieder in Augsburg,
vielleicht auch in Basel suchen mochte. Der Unterzeichnete ist in der Lage, die erste
Vermuthung L.'s bestltigen zu ltonnen: der fragliche Meister ist in der That ein Nürn-
berger, und zwar kein Anderer, als der bisher fast nur als Formschneider bekannt
gewordene Peter Flötner. Referent hatte seine Abhandlung über diesen Meister
(i-Peter Flolner als Plastiker und Medailleur, vornehmlich nach seinen in den Kunst-
sammlungen des Ab. Kaiserhauses befindlichen Werkent), welche demnächst in dem
XVl. Bande des Jahrbuches der kunsthistorischen Sammlungen erscheinen wird, bereits
vollkommen abgeschlossen im Drucke vor sich, als ihm das Werk von Schwenke und
Lange in die Hand kam. Er freut sich umsomehr, seine Zuweisungen und sein eigenes
Urtheil über Flütner durch die Charakteristik Lange's (S. 38 fg.) so genau bestätigt zu
sehen und zugleich auf eine Reihe von Schöpfungen dieses Künstlers aufmerksam ge-
worden zu sein, die ihm bisher unbekannt waren: Plaquetten, welche an den Einbinden
der Silberbibliothek Verwendung fanden und solche im Berliner Kunstgewerbe-Museum.
Da es dem Referenten, wie der Titel seiner Abhandlung besagt, hauptsächlich darum
zu thun war, Flotner als Urheber gewisser im kunsthistorischen Hüfmuseum befindlichen
Werke zu erweisen und im Uebrigen nur nanderen Forschern etwa einen Fingerzeig zu
gebenu, so wird sein Wunsch begreidich erscheinen, dass gerade Professor Lange sich
der überaus lohnenden Arbeit einer Zusammenstellung des gesammten Bildhauerwerkes
Flotnefs unterziehen mochte; er kann damit die Schuld begleichen, welche die deutsche
Kunstwissenschaft diesem Meister gegenüber abzuttagen hat.
Zum Schlusse ein paar nebensächliche Bemerkungen. Die Figur auf der Vorder-
seite von Fol. l ist m. E. nicht als Patienta anzusprechen, sondern als Holfnung:
aChristus unsere Holfnungu; auf der Rückseite ist Glaube und Liebe angebracht, daher
die dritte der theologischen Tugenden nicht fehlen durfte. Auch entspricht die Stellung
der Figur der auf einem Kupferstiche des lB mit SP ES überschriebenen. Dass hier
von den sieben Werken der Barmherzigkeit einea, das letzte, fehlt, scheint L. ent-
gangen zu sein.
Unverständlich ist mir die Bemerkung (S. zg), ndass der Protestantismus sehr
gut in der Lage gewesen wäre, die mittelalterliche Kunst in glänzender Weise fortzu-
iühren, wenn nicht die unglücklichen Religionsltriege die deutsche Cultur schwer ge-
schädigt hattena. Der Niedergang und unrettbare Verfall der Künste ist dem Religions-
kriege doch wohl vorhergegangen? Und war die Stellung des Protestantismus gegen-
über der mittelalterlichen Kunst nicht von Anbeginn eine ablehnende, in großentheils
geradezu feindselige? C. Domanig.
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